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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0499
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Einleitung

So verwundert es nicht, dass Philipps Mandate nur einen begrenzten reformatorischen oder „evangeli-
schen“ Geist erkennen lassen. Dennoch sind sie ein signifikantes Beispiel für die reformfreundliche Haltung
vieler Landesfürsten in den 1520er Jahren, die sich allerdings noch nicht in einer endgültigen Abwendung
von Rom niederschlug, sondern erst weitere Jahre oder auch Jahrzehnte der Klärung bedurfte, wie es nicht
nur in Baden, sondern auch in zahlreichen anderen südwestdeutschen Herrschaften das Schicksal der Refor-
mation war.
Andererseits muss betont werden, dass in dieser frühen Phase gerade an diesen äußeren Punkten von
den Zeitgenossen die Stellung des Landesherren zur Reformation gemessen wurde: Zahlreiche Zeitzeugen
rechneten Philipp schon ins reformatorische Lager,16 und die meisten badischen Pfarrer verstanden sich in
den 1520er Jahren als evangelische Prediger; es konnten sogar reformatorische Prediger, die andernorts ihre
Stellen verloren hatten, in Baden unterkommen.17 Die Mandate, die sich mit der Abgabe des Zehnten sowie
der Präsentation und rechtlichen Stellung der Pfarrer befassen, warfen darüberhinaus nicht unerhebliche
Konflikte mit den zuständigen Bischöfen von Speyer und Straßburg auf. Zur gleichen Zeit untersagte
Philipp auch den landsässigen Klöstern (vor allem den Frauenklöstern Lichtenthal und Frauenalb),18 neue
Novizinnen aufzunehmen, bzw. den bereits vorhandenen Novizinnen, Profess abzulegen; auch dem Hir-
sauer Priorat in Reichenbach19 wurden diesbezüglich erhebliche Steine in den Weg gelegt.20
Aber gegen Ende der 1520er Jahre, als sich Philipps Haltung unter Veus’ Einfluss wieder mehr zur altgläu-
bigen Seite hinneigte, verließen die Anhänger der Reformation Baden nach und nach, ein erster Schub
1528,21 der Rest wurde 1531 entlassen.22 Im Briefwechsel der oberdeutschen Reformatoren wird dieser erste
Entlassungsschub auf ein weiteres markgräfliches Mandat23 zurückgeführt, das den Pfarrern die Beibehal-
tung der alten kirchlichen Gebräuche einschärfte:
Nunc autem arte Fabri24 et cancellarii25, ut creditur, tum suggestionibus aliquot praefectorum huc incitatus est, ut
nominatim omnes papisticas ceremonias rursus exegerit, solum canonem, quem vocant, fecerit facultatem omit-
tendi et profestis diebus missas intermittendi; caeterarum adeo nullas tolli vult, ut etiam exegerit statuam Christi
paschalibus diebus ponendam in sepulchrum, tum ascensionis die subvehendam in templi tectum; item pompam
illam eucharistiae in die quem vocant corporis Christi cum primis observandam mandavit.26

sen, 1531 Pfarrer und Reformator der Herren von Gem-
mingen, gründete dort eine Lateinschule, dort gest. 1559
(oder 1565); vgl. NDB 10, S. 178f.
15 Nämlich nach seiner Begegnung mit Luther auf dem
Wormser Reichstag, vgl. Kattermann, Kirchenpoli-
tik, S. 12f., 20f., 84.
16 Allerdings mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen;
vgl. Kattermann, Kirchenpolitik, S. 55f.
17 Vgl. Kattermann, Kirchenpolitik, S. 39-41.
18 Vgl. Text Nr. 2.
19 Heute Klosterreichenbach, wurde 1595 von Württem-
berg besetzt und aufgelöst, vgl. Handbuch Hist. Stätten
6, S. 41 1f.
20 Vgl. Kattermann, Kirchenpolitik, S. 46f.
21 Die Angaben schwanken zwischen zehn (Oekolampads
Brief an Zwingli vom 28. September 1528, CR 96, Nr.
763) und 20 (Bucer an A. Blarer am 13. September 1528,
vgl. Schiess, Briefwechsel I, Nr. 124) Personen.
22 Vgl. Cramer, Pfarrerbuch IV, S. 6.

23 Kattermann vermutet, es müsse Anfang oder Mitte Juli
1528 erlassen worden sein, vgl. Kattermann, Kirchen-
politik, S. 64.
24 Johann Fabri oder Faber, geb 1478, stud. 1505 Tübingen
u. Freiburg, Dr.iur.utr., seit 1510 den Humanisten nahe-
stehend und Verfechter kirchl. Reformen, 1517 General-
vikar Konstanz, Rat und Beichtvater König Ferdi-
nands, 1530 Bischof von Wien, Besucher der Reichstage
in Speyer 1529 und Augsburg 1530, Mitverfasser der
Confutatio, gest. 1541 Wien.
25 Damit kann nur Veus gemeint sein.
26 Schiess, Briefwechsel I, Nr. 124, Bucer an A. Blarer am
13. September 1528. Vgl. dazu auch den Brief Hedios an
Zwingli vom 2. August 1528, CR 96 Nr. 746. Hedio war,
nach Aussage des Briefes von Bucer an Zwingli vom 19.
Juli, sogar zur Unterstützung der evangelisch gesinnten
Pfarrer in seine Heimat Baden gereist, vgl. CR 96, Nr.
735.

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