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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0639
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5. Kirchenordnung 1610

Das Sibendt Capittel: Das Achte Capittel:
Von Passions Predigten. Von der Ehe.

Demnach die Histori des bitter Leidens und
sterbens unsers herrn und Seeligmachers Jesu Chri-
sti billich jedermeniglich wohl bekant sein soll, als
daruff unser Trost unnd Seeligkeit stehet, und aber
wegen ihrer lenge |32| zu zwayen oder dreyen Predig-
ten für das gemain volckh verstendtlich nicht kan
außgelegt und erklert oder gehandelt werden,57 so
sollen solche die Pfarherr die gantze Fasten durch
auff alle Sonn- und Feyertäg, die mit einfallen, biß
auff Ostern ercleren und außlegen: Am Sonttag
Estomihi auß dem Evangelio Luc. 18, darinnen vom
Passion Christus selber redt,58 den anfang machen,
und als in der ersten Predigt anzaigen von der per-
sohn, die gelitten, was sie auß gestanden, warzu es
nuz- und dienstlich, wie die histori außzuthailen etc.
Den andern Sonttag hernacher die histori, soviel
zur selben Predigt von nöthen, verlesen und also
volgents biß zu endt derselben ein stückh nach dem
andern erkleren etc. Den Text aber verlesen das er-
ste jahr auß dem Evangelisten Matheo, das ander
auß Marco, das dritt außo Lucca, das viert jahr auß
Johanne, und dann volgents immer in solcher Ord-
nung etc. Und damit das Evangelium59 nicht under-
lassen werde, sollen sie diese Zeit uber daselbig an
statt der Catechismi Predigt ercleren und zuend
gleich wol den Catechismum halten. Am grüenen
donnerstag aber und Charfreyttag zu morgens, nach
dem wie sonsten am Sonttag gebreuchig geleuttet
worden, gesungen und gebettet, von der außfüeh-
rung und Creutzigung Christi und den volgenden
Sambstag vor verhör der Communicanten |33| von
der begrebnus Christi nach beschreibung des vor-
habenden Evangelisten Predigen, am grüenen don-
nerstag nach der Predigt, Vatter unser und gesäng
die Collect von der Passion lesen und mit dem See-
gen beschliessen, am Charfreitag die Litanei sambt
dem gebett verlesen und am Sambstag die Com-
municanten verhören.
o KO 1619: auß dem.
p Fehlt KO 1619.
q-q Fehlt KO 1619.

Erstlichs sollen die Newe Eheleuth oder an ihrer
statt die Eltern, Vormundt oder Freundt beederseits
drey wochen vor ihrem Kirchgang bey dem Pfarherr
sich einstellen oder, do ein oder ander theil abwe-
sent, von ihnen schrifftlichen beglaubten schein
bringen, der dann fleissig auffsehen und forschen
soll, ob es mit wissen und willen geschehe deren, in
welcher gewaldt sie sein, sonderlich der Eltern, ob
kein verhinderung wegen naher verwandtschafft
oder anderer wichtigen ursachen, die ein solche Ehe
nicht zugeben oder doch nicht genugsam erleuttert
sein, und da dergleichen sich befinde, an sein gebüe-
rendt ortt weisen und mit der verkündung innen
halten. Ist dann kein verhinderung vorhanden, so
schreib erp der newen Eheleuth Nahmen |34| auff
sambt des Vatters, es seie dann ein witwer und der
wittib verstorbenen Mans, verkünde sie drey Sonn-
tag wie gebreuchig nach einander.
Sein es außländische, die anderer Ortten ihren
Kirchgang haben würden, so bleib es bei der andern
verkündigung, wie droben gemelt etc.
Wann dann die hochzeit angesteldt, solle solcher
tag dem Pfarherr bei zeit angezaigt und umb einlei-
tung gebetten werden, Der sie trewlich und fleissig
vermahnen solle, qdas sieq diesen ihren Ehrentag
still, inn Gottes Forcht, mit gottseeligem weesen
halten, alle Leichtferttigkeit, geschray und unge-
büehr bei den Mahlzeitten und dänzen oder sonsten
underlassen und abhaltten. Hetten dann die Newen
Eheleuth, wie laider offt geschicht, sich mit all zu
frühem beischlaff ubersehen, so soll er sie vor der
Einleittung deßwegen mit Ernst besprechen, zu er-
kandtnus ihrer Sünden treiben und vermahnen, daß
sie es Gott abbitten, seiner gnad begehren und fü-
rohin desto Christlicher leben.
Weil auch bißhero auff etlichen dörffern die
hochzeitten am Sonttag eingeleittet worden, solle es
fürtters umb seiner wichtigen ursachen willen ver-
57 So in KO Württemberg 1553, S. 267.
58 Lk 18,31-34.
59 Hier: das eigentliche Sonntagsevangelium, das durch die
lectio continua der Passionsgeschichte verdrängt wird.

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