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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0672
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Neckarbischofsheim

Um so bedeutender ist die Neckarbischofsheimer Kirchenordnung der Herren von Helmstatt, die die
bisher einzige bekannt gewordene Ordnung dieser Provinienz darstellt.
Neckarbischofsheim, seit 1378 Stadt mit Wimpfener Recht, gehörte seit dem frühen Mittelalter eigent-
lich in die Landesherrschaft des Wormser Hochstiftes. Ab dem 13. Jahrhundert ist das Geschlecht derer von
Helmstatt als Lehensnehmer nachgewiesen, die als reichsfreie Ritter zeitweilig sowohl im Schwäbischen
Ritterkreis (Kanton Kraichgau) als auch im Fränkischen Ritterkreis (Kanton Odenwald) inkorporiert
waren.9
Als erster evangelischer Prediger in Neckarbischofsheim gilt Nikolaus Renneisen,10 der zwischen 1517
und 1527 als Prediger der Herren von Helmstatt belegt ist.11 Die Kollatur der Pfarrstelle dagegen lag seit
1348 beim Wimpfener Stift;12 wann der letzte katholische Priester die Pfarrei verließ, ist nicht sicher nach-
weisbar; offenbar konnten die Helmstätter die Neubesetzung etliche Jahre verzögern, der erste nachweis-
bare evangelische Pfarrer wurde erst 1540 eingesetzt.13
Renneisen neigte der schweizerischen Theologie zu, wobei bedacht werden muss, dass bis zum genannten
Zerwürfnis zwischen Brenz und Oekolampad letzterer im nahegelegenen Schwäbisch Hall hoch im Kurs
stand. Noch in der Fassung der Kirchenordnung von 1560 ist der Einfluss der Basler Liturgie deutlich
erkennbar - weshalb Waldenmaier und Beisel folgern, dass Renneisen der Verfasser der im Titel dieser
Ordnung genannten, ersten helmstättischen Ordnung gewesen sein kann, die somit 1526 oder 1527 entstan-
den sein könnte. Sie ist leider nicht erhalten.
1560 erlässt Philipp von Helmstatt als Vormund seiner Enkelkinder14 die vorliegende neubearbeitete
Kirchenordnung, deren einzig erhaltene Abschrift, vielleicht aus dem Jahre 1578 oder 1579, sich in der
Kirchenbibliothek St. Mang in Kempten befindet. Dieser merkwürdige Umstand deutet, nicht mit letzter
Sicherheit aber doch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, auf den ehemaligen Heidelberger Hofprediger
Ottmar Stab15. Dieser war im Zuge der Hinwendung des Heidelberger Hofes zum Calvinismus in Ungnade
gefallen und hatte nach seiner Absetzung und einer kurzen Haft wegen des Verfassens von Schmähgedichten
im August 1560 die Kurpfalz verlassen. Im Januar 1561 wurde er Pfarrer in Kempten, wo er bis zu seinem
Tode 1585 blieb. Über das fehlende halbe Jahr in Stabs Biografie ist nichts bekannt, aber immerhin könnte
der lutherische, ehemalige pfälzische Rat Philipp von Helmstatt dem lutherischen, ehemaligen pfälzischen
Hofprediger Stab und seiner Familie einige Wochen oder Monate Unterkunft gewährt haben bis zum Errei-

creutz das recht panier, S. 59. Vgl. Cramer, Pfarrer-
buch 1/1, S. 35.
9 Vgl. Köbler, Lexikon, S. 246.
10 Nikolaus Renneisen gen. Fabri, immatrikuliert 1503 in
Heidelberg. 1563 erschien posthum in Heidelberg eine
Ausgabe der gesammelten Werke Renneisens, vgl. Cra-
mer, Pfarrerbuch 1/2, S. 670.
11 Vgl. Beisel, Kirchenordnung, S. 187.
12 In Wimpfen hatte 1523 Erhard Schnepff begonnen,
evangelisch zu predigen, er verließ die Stadt aber 1526.
1546 wird eine Kirchenordnung nach Haller Muster ein-
geführt, vgl. Endriss, Phasen, S. 310.
13 Vgl. Cramer, Pfarrerbuch I/1, S. 185f. Cramer, Pfar-
rerbuch I/2, S. 670, mutmaßt, da 1527 ein Jakob von
Sinsheim als Inhaber der Prädikantenstelle genannt
wird, dass Renneisen zu diesem Zeitpunkt auf die Pfarr-
stelle gewechselt sein und sie bis 1540 versehen haben
könnte.
14 Philipp von Helmstatt (1496-1563) war zunächst Hof-
meister des Bischofs von Speyer. Als nach dessen Tod
1529 Philipp von Flersheim, ein erbitterter Gegner der

Reformation, den Bischofsstuhl übernahm, wechselte
Philipp 1530 in die Dienste Ludwigs V. nach Heidelberg.
Seine Tochter aus erster Ehe, Gisela, war mit dem ent-
fernten Vetter Johann von Helmstatt verheiratet, der
noch vor 1548 verstarb und drei unmündige Kinder hin-
terließ, deren Vormund Philipp wurde.
15 Ottmar Stab d.Ä. (geb. als Sohn des Priesters Philipp
Stab d.Ä. aus Wiesloch?) 1524 immatr. Heidelberg, 1530
Mag., 1538 Pfarrer in Sinsheim, 1540 Heirat mit Anna
Bender, 1545 Pfarrer in Donauwörth, 1550 Hofprediger
Friedrichs II. in Heidelberg, 1556 Hofprediger Maria
von Brandenburgs, der Gemahlin Friedrichs III. (Ott-
heinrich brachte 1556 seinen eigenen Hofprediger
Michael Diller mit nach Heidelberg), 1560 Vertreibung
aus Heidelberg, 1561 Pfarrer in Kempten, gest. 1585.
Stab ordnete für Friedrich II. die hinterlassene Rezept-
sammlung Ludwigs V., das zwölfbändige Buch der Medi-
zin - die bedeutendste Sammlung ihrer Art und „das
monumentalste Werk der altdeutschen Fachprosa“
(Hildebrandt, Stab, S. 27). Alle Daten zu Stab vgl.
Hildebrandt, Stab, S. 10-44.

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