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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0674
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Neckarbischofsheim

Die Kollektengebete dagegen stimmen zum großen Teil mit den weitverbreiteten aus der brandenburg-
nürnbergischen Kirchenordnung von 153323 überein - allerdings wurden sie nicht wörtlich übernommen, wie
etwa in die württembergische Kirchenordnung von 1553 (und die von ihr abhängigen Ordnungen).
Zur Datierung der Kemptener Handschrift muss auf die der Kirchenordnung beigegebene Heiligentags-
liste hingewiesen werden, die eindeutig von der selben Hand stammt wie der Text der Ordnung. Diese ist
zwar nicht ohne Fehler,24 bietet aber für zwei bewegliche Feste ein Datum: Für den Fronleichnamstag den
18. Juni und für die Kreuzwoche25 den 30. April. Im 16. Jahrhundert fiel Fronleichnam nur in den Jahren
1579, 1584 und 1590 auf diesen Tag.26 Da die Kreuzwoche mit dem Sonntag Vocem Jocunditatis (Rogate)
beginnt und mit Himmelfahrt endet, können nur Jahre in Frage kommen, in denen dieser Sonntag auf den
26. bis 30, April fällt; im 16. Jahrhundert sind das nur die Jahre27 1543 und 1554 (beide 29.4.), 1573 (26.4.)
sowie 1559, 1570, 1581 und 1592 (alle 30.4.).28 Obwohl die Kombination beider Angaben also nicht auf ein
Jahr verweist, ist ihr Bezugspunkt eindeutig nicht das Jahr 1560. Viel eher scheint die Entstehung der
Kemptener Handschrift in die 1570er Jahre zu fallen. Vielleicht steht sie mit der oben genannten Reise des
Neckarbischofsheimer Pfarrers Johann Gross nach Kempten 1575 in Verbindung.
Insgesamt stellt die Neckarbischofsheimer Kirchenordnung einen interessanten Sonderfall in der süd-
westdeutschen Reformationsgeschichte dar. Denn obwohl die reichsfreien Ritter in den 1520er Jahren eine
wichtige Vorreiterrolle bei der Verbreitung des evangelischen Gedankengutes innehatten und oft lange vor
den großen fürstlichen Territorien evangelische Prediger beriefen, so war, gerade wegen der Kleinheit der
Verhältnisse, das Erlassen von kirchenordnenden Mandaten meist überflüssig. Und nachdem zur Jahrhun-
dertmitte hin die Landesfürsten mit dem Erlass von Kirchenordnungen begannen, stellte es sich für die
meisten dieser Kleinstterritorien viel einfacher dar, ihre Kirchendienste nach der Ordnung eines benach-
barten Landesherren versehen zu lassen; auf ähnliche Weise verfuhren zahlreiche der kleineren reichsstän-
dischen Herrschaften, wie z.B. auch die Schenken von Limpurg.
Dass Philipp von Helmstatt 1560 eine eigene Ordnung erlässt, ist also nur daher erklärbar, dass es in der
Herrschaft schon seit über 30 Jahren eine eigene Ordnung gab, die damit als eine der ältesten Ordnungen
der gesamten Region gelten darf.

23 Bzw. aus dem Agendbüchlein Veit Dietrichs; beides in:
Sehling, EKO XI, S. 189-191 und S. 497-499; KO
Brandenburg-Nürnberg in: Osiander, GA V, S. 37-181.
24 St. Georg (und damit als Folgefehler St. Markus) und
St. Elisabeth sind falsch datiert. St. Burckhard wurde
nur im Bistum Basel (!) am angegebenen Tag begangen -
St. Margarethe dagegen wurde in Basel am 15.7. began-
gen; vgl. Grotefend, Zeitrechnung II/2, S. 75, 135.

25 Die Tage zwischen Vocem Jocunditatis (Rogate) und
Himmelfahrt, vgl. Grotefend, Zeitrechnung I, S. 109f.
26 Vgl. Grotefend, Zeitrechnung I, S. (90f.).
27 1505 und 1516 fallen aus unserer Betrachtung natürlich
heraus.
28 Vgl. Grotefend, Zeitrechnung I, S. (34), (42).

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