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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0055
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Einleitung

ausdrücklich ermahnt, den Schulmeistern nicht allein die Vermittlung des Katechismus zu überlassen.
Überhaupt scheint das Verhältnis zwischen Pfarrern und Lehrern nicht immer ohne Reibungen gewesen zu
sein, zielt doch eine der Fragen der Visitatoren bei ihren Besuchen in den Gemeinden gerade auf mögliche
Konflikte zwischen den beiden Gruppen76.
Im Unterschied zu anderen Territorien, wo bereits früh eigenständige Schulordnungen erlassen oder
entsprechende Abschnitte zum Schulwesen in die Kirchenordnungen aufgenommen worden waren77, ist für
die Grafschaft Hanau-Lichtenberg erst 1614 eine eigene Schulordnung überliefert. Da diese jedoch als
„Neuwe Schulordnung“ bezeichnet wird, ging ihr möglicherweise eine vergleichbare Regelung voraus.
Anstoß für den Erlaß der Ordnung gab wohl die Umgestaltung der Schule in Buchsweiler, wo Graf Johann
Reinhard I. 1612 ein neues Schulgebäude hatte errichten lassen78. Nach der Umgestaltung hatte die Schule
in Buchsweiler drei Klassen79.Der Rektor - bis 1636 der Mediziner Johannes Göler - war für die oberste
Klasse zuständig; daneben gab es noch einen Praeceptor secundae classis und einen Praeceptor tertiae
classis80. Die dritte Klasse, die der deutschen Schule entsprach, zählte dabei mehr als doppelt so viele
Schüler wie die beiden oberen Klassen zusammen. Im Unterschied zu den oberen Klassen gehörten ihr auch
Mädchen an81.
Die von Karl Klein für seine Edition der Schulordnung von 1614 benutzte Vorlage („von welcher ein
gütiges Geschick aus einem Haufen halbvermoderter Berufungs- und Besoldungsakten uns eine Abschrift in
die Hände spielte“) scheint nicht mehr erhalten zu sein. Daher wird der Edition der Text von Klein zugrun-
degelegt. 1994 publizierte Rudolf Fendler im „Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde“ einen
Aufsatz „Weil Examina in Wahrheits Grund nervi scholarum sind. Über das Schulwesen und die Schulord-
nungen im hanau-lichtenbergischen Buchsweiler in der Nachreformationszeit“. Darin erwähnt er eine „Pro-
thocollum scholasticum Buxovillanum“ betitelte Handschrift, die der 1609-1638 in Buchsweiler tätige Pfar-
rer und Superintendent Johannes Westerfeld angelegt hatte. In ihr sollen laut Fendler vier Schulordnungen
enthalten sein: 1. Alte Schulordnung, uff das gantze Hanawische Land hiebevor gerichtet, 2. Leges Scho-
lasticae novae. Newe Schulordnung für die angehende Classes und Praeceptores zu Buchßweiler, 3. Newe
Schulordnung für die Hanawische Diacones im gantzen Land hin und wider, und 4. Schulordnung für die
Schul Babenhausen82. Die in Privatbesitz befindliche Handschrift war leider nicht zugänglich83. Fendler
druckt im Anhang zu seinem Aufsatz aber die unter Nr. 1 und 2 genannten Ordnungen ab. Beide weisen
große Ahnlichkeit zu der von Klein herausgegebenen Schulordnung von 1614 auf.
Die „Alte Schulordnung, uff das gantze Hanawische Land hiebevor gerichtet“84 umfaßt zwölf Artikel.
Es handelt sich dabei um Kurzfassungen der Artikel 2-9 und 13 der von Klein veröffentlichten Ordnung.
Ausgelassen sind die Bestimmungen über die Schulaufsicht (Art. 1), über das vorgeschriebene Alter der
Schüler, ihre Anmeldung bzw. Einschulung (Art. 10-11), über die Teilnahmepflicht am Unterricht (Art.
12), über die Examina und den Unterrichtsstoff (Art. 14-15) sowie die abschließende Anweisung zur
Abkündigung der Ordnung. Ein Eintrag am Ende der ,,Alte[n] Schulordnung“ bezeichnet den Superinten-
denten Jakob Hagmeier als Autor.

76 Nr. 6, S. 51, 54, 72 und 75.
77 Vgl. etwa die württembergische Kirchenordnung von
1559 und die in Hanau-Münzenberg gültigen Kirchen-
ordnungen von Mecklenburg und Pfalz-Zweibrücken.
78 Vgl. Klein, Festschrift, S. 6-9. Vorbilder könnten die
Gymnasien in den benachbarten Städten Hagenau und
Weißenburg sowie das in Hanau gewesen sein.
79 Vgl. Fendler, Examina, S. 231.

80 Vgl. die Liste der Rektoren und Lehrer in Klein, Fest-
schrift, S. 9-12.
81 Vgl. die Statistik in Fendler, Examina, S. 235-237.
82 Ebd., S.211.
83 Eine Anfrage bei Rudolf Fendler nach dem Besitzer der
Handschrift („Sie konnte vor einigen Jahren auf einem
Trödelmarkt erworben werden“) blieb leider unbeant-
wortet.
84 Fendler, Examina, S. 228-230.

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