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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0118
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Herrschaft Rappoltstein

liegenden Regionen zuwandernden Arbeitern stammte eine große Gruppe aus Sachsen. Die Bergleute ließen
sich vor allem in Markirch (Sainte-Marie-aux-Mines), einem sich auf beiden Seiten der Lièpvrette erstrek-
kenden Ort39, in Fortelbach (Fertru oder Fertrupt) und in Eckerich (Échery) nieder40. Organisiert waren sie
in einer Knappschaft und unterstanden einem eigenen Bergrichter41.
Im Lebertal gab es drei Pfarreien: Markirch, Eckerich und St. Bläsy (Saint-Blaise). Daneben bestand
eine Gemeinde der Bergleute. Die Arbeiter kamen für den Unterhalt des Geistlichen auf und beanspruchten
daher ein Mitspracherecht bei dessen Wahl. In den Anfangsjahren versammelten sie sich vermutlich in der
Kapelle des Hl. Blasius in Fortelbach. 1542 errichteten sie dann auf eigene Kosten auf einer Wiese oberhalb
von Markirch ein eigenes Gotteshaus. Wegen seiner Lage erhielt dieses den Namen „Mattenkirche“ (Église
du Pre)42.
In den Reihen der Bergarbeiter scheint die evangelische Lehre früh Einzug gehalten zu haben: Im Jahr
1530 protestierte im Namen der Bergleute des Lebertals (ex iussi communitatis) Hieronymus Beser (Reser),
verbi minister in Vortelbach, bei Bucer gegen dessen anscheinend in einer Predigt getane Äußerungen, im
Bergbau gehe es nicht in christlicher Weise zu und die Anlage von Bergwerken sei stets die Aufgabe verur-
teilter Verbrecher gewesen. Beser wies Bucer mahnend darauf hin, daß es unter den Knappen viele liebhaber
der wort Christi gäbe, die ihren Beruf aufgeben würden, wenn dieser nicht christlich wäre43.
Neben der deutschen Gemeinde, die sich iiberwiegend aus den sächsischen Bergleuten zusammensetzte,
bildete sich ab 1550 auch eine französische Gemeinde im Lebertal. Nach den Aufzeichnungen von Claude
Rouget (1579) war deren erster Prediger ein gewisser „Meister Elias“. Bei diesem handelt es sich vermutlich
um Élie de Hainaut, einen ehemaligen Benediktiner, der in Straßburg die Witwe des in Tournay als Mär-
tyrer gestorbenen Pierre Brully geheiratet hatte und dann mit seiner Frau ins Lebertal gezogen war. Hier
arbeitete Élie de Hainaut in der Mine. Daneben predigte er aber auch; er spendete die Sakramente und
scheint auch ein Kind getauft zu haben. Wohl um 1553 muß er das Tal verlassen haben; er wurde Prediger in
dem zu Württemberg gehörenden Altweier (Aubure)44.
3. Zuchtordnung, [um 1553] (Text S. 112)
Etwa zu dieser Zeit richtete die Gemeinschaft der Gewerke sammt der ganzen gemeinen gesellschaft des berg-
wercks eine Supplik an Egenolph IV.45 Darin baten die Bergleute um die Berufung zweier frommer und
gelehrter Prediger für das Tal, die das Wort Gottes in beiden Sprachen, deutsch und französisch (welsch),
verkünden sollten. Zugleich ersuchten sie Egenolph wegen der um sich greifenden Laster und wegen des
Auftretens zahlreicher Sektierer um den Erlaß einer Zucht- und Polizeiordnung. Große Teile dieser Supplik
floßen weitgehend wörtlich in die Einleitung der Zuchtordnung ein (von: Dweil Gott, der almechtig, durch
sein gnadenreich, milte barmhertzigkheit [...] bis: laster unnd mißbreuch hingenommen). Im Unterschied zur
Zuchtordnung, die nur allgemein von secten und leut spricht, heißt es in der Supplik aber: Sekten, Wieder-
täufer, Winkelprediger, Sakramentschwirmer und ander mer irriger leut.
Egenolph folgte der Bitte der Bergleute und erlaubte die Anstellung zweier Prediger. Diese sollten bei
ihrer Berufung verpflichtet werden, das hailig evangelium lauter unnd rain zupredigen und das volcke von

39 Im Jahr 1790 schlossen sich die beiden Ortsteile Sainte-
Marie-Lorraine und Sainte-Marie-Alsace zur Gemeinde
Sainte-Marie-aux-Mines zusammen.
40 Vgl. Denis, Églises, S. 262f.
41 Vgl. Muhlenbeck, Histoire, S. 248-251.
42 Vgl. Denis, Églises, S. 267-269. Die Pfarreien des
Lebertals gehörten zur Diözese Straßburg.
43 Der Brief ist abgedruckt in Bucer, Briefwechsel 4,
Nr. 280, S. 68f.

44 Vgl. Muhlenbeck, Histoire, S. 3f.; Denis, Églises,
S. 271-273. In Altweier findet Élie de Hainaut erstmals
im November 1558 Erwähnung, s. dazu auch den im
Anhang zu Denis, Églises, S. 659 abgedruckten Text
Nr. 14.
45 Dieses ursprünglich im Kirchenarchiv in Markirch lie-
gende Dokument ist in Caspari, Geschichte, S. 19-22 in
modernisierter Rechtschreibung und Interpunktion
abgedruckt worden.

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