Einleitung
sogenannte Zutrinken, eine Art Trinkgelage, und 3. den Ehebruch und das Konkubinat57. Eine Besonder-
heit stellt dagegen die Bußhandlung dar, wonach derjenige, der unzimliche Schwüre tut, niederknien und ein
auf die Erde aufgezeichnetes Kreuz küssen soll. In dem Mandat zur Predigt des Evangeliums und zur
Unterbindung verschiedener Mißbräuche (Nr. 13) ist diese Bußhandlung weggefallen. Beim Zutrinken wird
nicht nur der Betrunkene bestraft, sondern auch der ihn dazu ermuntert hat. Bemerkenswert ist die Auf-
zählung der unterschiedlichen Formen, mit denen ein anderer zum Trinken aufgefordert werden kann.
Besonderen Wert scheint der Mülhauser Rat auf die Bekämpfung des Konkubinats gelegt zu haben, wird
doch in der Zuchtordnung auf ein erst kurz zuvor erlassenes Mandat zu diesem Thema hingewiesen. Das
Mandat selbst ist nicht erhalten; der Chronist Josua Fürstenberger erwähnt aber einen Erlaß, in welchem
die Geistlichen aufgefordert werden, ihre beyschläferin zu beurlauben oder zu ehlichen. Eine der Forderungen
der neugewählten Zunftmeister, die diese dem Rat am 11. Januar 1524 vortrugen, richtete sich gerade auf
eine konsequente Umsetzung dieser Bestimmung.
Möglicherweise aufgrund dieses Mandats entschloß sich Nikolaus Pruckner Ende des Jahres 1523, zu
heiraten und seine Ehe in Gegenwart der Gemeinde einsegnen zu lassen. Er folgte damit dem Vorbild seiner
Straßburger Kollegen Anton Firn und Matthäus Zell, die sich beide kurz zuvor öffentlich vermählt hat-
ten58. Wer Pruckner traute, ob Augustin Geschmus oder ein anderer Geistlicher der Stephanskirche, ist
nicht bekannt. Später geriet Pruckner wegen seiner Beziehungen in Schwierigkeiten: Anscheinend gab es
nicht verstummende Gerüchte, wonach er eheliche Verbindungen zu mehreren Frauen unterhielte. Die
Eidgenossen forderten daher den Mülhauser Rat auf, entschieden gegen Pruckner vorzugehen. Als die
Ratsherren ihn daraufhin baten, seine Predigttätigkeit für einige Zeit ruhen zu lassen, lehnte Pruckner dies
ab und nahm seinen Abschied von Mülhausen59.
3a. Bittschrift der Zunftmeister betreffend die Versorgung des Prädikanten, die Verwendung der deutschen
Sprache im Gottesdienst und andere Themen, [vor 11. Januar 1524] (Text S. 191) / 3b. Stellungnahme des
Rates zu den Forderungen der neuen Zunftmeister, [nach 11. Januar 1524] (Text S. 193)
Besondere Unterstützung erfuhr Nikolaus Pruckner durch die Zünfte und deren Mitglieder. Ende 1523 bzw.
Anfang 1524 wandten sich die Zunftmeister mit einer Bittschrift an den Magistrat. In ihr forderten sie eine
bessere Versorgung ihres Prädikanten, da sie fürchteten, Pruckner könne sonst die Stadt verlassen. Die
Zunftmeister beriefen sich auf die Weisung des Apostels Paulus im 1. Timotheusbrief, den Gemeindevor-
stehern die nötige Ehre und Unterstützung zukommen zu lassen. Ihre Hauptforderung richtete sich dabei
auf die Verleihung einer besser ausgestatteten Pfründe. Anscheinend war die zweite Pfründe des Johan-
nesaltars, die der Rat Pruckner im Sommer 1523 verliehen hatte, nur gering dotiert60.
In der Beschwerde der sechs neuen Zunftmeister, welche diese, unterstützt von einer größeren Schar von
Bürgern, am 11. Januar 1524 dem Rat anscheinend mündlich vortrugen, ging es dagegen um den Ausschluß
Pruckners von der Verteilung der Präsenzgelder durch die Kapläne an St. Stephan. Präsenzgelder wurden
gewöhnlich für die Teilnahme der Geistlichen an den Jahrzeitmessen und Vigilien sowie an den kanonischen
Stunden bezahlt. Sie stammten aus dem gemeinsam verwalteten Fonds der Pfarrer und Kapläne an der
Pfarrkirche61.
57 Vgl. dazu unten die Nr. 16, 17 und 24 sowie auch Seh-
ling, EKO XX,1, Nr. 10.
58 Zur Vermählung von Firn und Zell s. Sehling, EKO
XX,1, S. 37f.
59 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 557f. Pruckner
fand 1526 auf die Fürsprache Bucers und Hedios hin
Aufnahme in Straßburg. Die Straßburger Ratsherren
hielten es jedoch für geboten, bei ihren Mülhauser Kol-
legen anzufragen, ob die gegen Pruckner erhobenen Vor-
würfe zutreffend oder haltlos seien.
60 Zu den Kaplaneipfründen an der Pfarrkirche St. Ste-
phan und ihrer Ausstattung vgl. die Zusammenstellung
in Moeder, Église, S. 121-128. Darin fehlen aber leider
genaue Angaben zu den Einkünften der zweiten Pfründe
am Johannesaltar.
61 Ebd., S. 122f. Möglicherweise nahm Pruckner an den
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sogenannte Zutrinken, eine Art Trinkgelage, und 3. den Ehebruch und das Konkubinat57. Eine Besonder-
heit stellt dagegen die Bußhandlung dar, wonach derjenige, der unzimliche Schwüre tut, niederknien und ein
auf die Erde aufgezeichnetes Kreuz küssen soll. In dem Mandat zur Predigt des Evangeliums und zur
Unterbindung verschiedener Mißbräuche (Nr. 13) ist diese Bußhandlung weggefallen. Beim Zutrinken wird
nicht nur der Betrunkene bestraft, sondern auch der ihn dazu ermuntert hat. Bemerkenswert ist die Auf-
zählung der unterschiedlichen Formen, mit denen ein anderer zum Trinken aufgefordert werden kann.
Besonderen Wert scheint der Mülhauser Rat auf die Bekämpfung des Konkubinats gelegt zu haben, wird
doch in der Zuchtordnung auf ein erst kurz zuvor erlassenes Mandat zu diesem Thema hingewiesen. Das
Mandat selbst ist nicht erhalten; der Chronist Josua Fürstenberger erwähnt aber einen Erlaß, in welchem
die Geistlichen aufgefordert werden, ihre beyschläferin zu beurlauben oder zu ehlichen. Eine der Forderungen
der neugewählten Zunftmeister, die diese dem Rat am 11. Januar 1524 vortrugen, richtete sich gerade auf
eine konsequente Umsetzung dieser Bestimmung.
Möglicherweise aufgrund dieses Mandats entschloß sich Nikolaus Pruckner Ende des Jahres 1523, zu
heiraten und seine Ehe in Gegenwart der Gemeinde einsegnen zu lassen. Er folgte damit dem Vorbild seiner
Straßburger Kollegen Anton Firn und Matthäus Zell, die sich beide kurz zuvor öffentlich vermählt hat-
ten58. Wer Pruckner traute, ob Augustin Geschmus oder ein anderer Geistlicher der Stephanskirche, ist
nicht bekannt. Später geriet Pruckner wegen seiner Beziehungen in Schwierigkeiten: Anscheinend gab es
nicht verstummende Gerüchte, wonach er eheliche Verbindungen zu mehreren Frauen unterhielte. Die
Eidgenossen forderten daher den Mülhauser Rat auf, entschieden gegen Pruckner vorzugehen. Als die
Ratsherren ihn daraufhin baten, seine Predigttätigkeit für einige Zeit ruhen zu lassen, lehnte Pruckner dies
ab und nahm seinen Abschied von Mülhausen59.
3a. Bittschrift der Zunftmeister betreffend die Versorgung des Prädikanten, die Verwendung der deutschen
Sprache im Gottesdienst und andere Themen, [vor 11. Januar 1524] (Text S. 191) / 3b. Stellungnahme des
Rates zu den Forderungen der neuen Zunftmeister, [nach 11. Januar 1524] (Text S. 193)
Besondere Unterstützung erfuhr Nikolaus Pruckner durch die Zünfte und deren Mitglieder. Ende 1523 bzw.
Anfang 1524 wandten sich die Zunftmeister mit einer Bittschrift an den Magistrat. In ihr forderten sie eine
bessere Versorgung ihres Prädikanten, da sie fürchteten, Pruckner könne sonst die Stadt verlassen. Die
Zunftmeister beriefen sich auf die Weisung des Apostels Paulus im 1. Timotheusbrief, den Gemeindevor-
stehern die nötige Ehre und Unterstützung zukommen zu lassen. Ihre Hauptforderung richtete sich dabei
auf die Verleihung einer besser ausgestatteten Pfründe. Anscheinend war die zweite Pfründe des Johan-
nesaltars, die der Rat Pruckner im Sommer 1523 verliehen hatte, nur gering dotiert60.
In der Beschwerde der sechs neuen Zunftmeister, welche diese, unterstützt von einer größeren Schar von
Bürgern, am 11. Januar 1524 dem Rat anscheinend mündlich vortrugen, ging es dagegen um den Ausschluß
Pruckners von der Verteilung der Präsenzgelder durch die Kapläne an St. Stephan. Präsenzgelder wurden
gewöhnlich für die Teilnahme der Geistlichen an den Jahrzeitmessen und Vigilien sowie an den kanonischen
Stunden bezahlt. Sie stammten aus dem gemeinsam verwalteten Fonds der Pfarrer und Kapläne an der
Pfarrkirche61.
57 Vgl. dazu unten die Nr. 16, 17 und 24 sowie auch Seh-
ling, EKO XX,1, Nr. 10.
58 Zur Vermählung von Firn und Zell s. Sehling, EKO
XX,1, S. 37f.
59 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 557f. Pruckner
fand 1526 auf die Fürsprache Bucers und Hedios hin
Aufnahme in Straßburg. Die Straßburger Ratsherren
hielten es jedoch für geboten, bei ihren Mülhauser Kol-
legen anzufragen, ob die gegen Pruckner erhobenen Vor-
würfe zutreffend oder haltlos seien.
60 Zu den Kaplaneipfründen an der Pfarrkirche St. Ste-
phan und ihrer Ausstattung vgl. die Zusammenstellung
in Moeder, Église, S. 121-128. Darin fehlen aber leider
genaue Angaben zu den Einkünften der zweiten Pfründe
am Johannesaltar.
61 Ebd., S. 122f. Möglicherweise nahm Pruckner an den
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