Mülhausen
Zur geistlichen Unterstützung widmete Ulrich Zwingli der christenlichen kilchen in Mülhausen seine
1525 erschienene Schrift „Wer ursache gebe zu aufruhr“. In dem Dedikationsbrief, der auf den 7. Dezember
1524 datiert ist, tröstet er die Gemeinde, daß nach der Vorhersage des Apostels Paulus alle, die dem Wort
Gottes anhingen, Widerstand erdulden müßten. Daher werde auch Mülhausen vil verspottung, lestrung, tratz
und tröuwen zu ertragen haben. Besonders empfahl er der Stadt ihren Prediger Nikolaus Pruckner, damit er
sie wie bisher trülich lere88 . Vor allem Pruckner aber war den eidgenössischen Orten ein Dorn im Auge89.
Während des Bauernkriegs verschärfte sich die Lage der Stadt deutlich. Der schon lange schwelende
Konflikt Mülhausens mit der österreichischen Regierung in Ensisheim spitzte sich zu. Da viele Bauern nach
der Niederlage bei Scherweiler sich in die Reichsstadt flüchteten, warf die österreichische Regierung Mül-
hausen die Unterstützung der Aufständischen vor. Am 3. November 1525 trugen Räte Erzherzog Ferdi-
nands der in Luzern versammelten eidgenössischen Tagsatzung ihre Beschwerden gegen Mülhausen
vor90. Drei Tage später forderten die Delegierten der Tagsatzung die Stadt in einem Schreiben auf, die
pannditen und flüchtig lüt auszuweisen. Die Delegierten beriefen sich dabei auf die bestehende Erbeinung
zwischen Österreich und der Eidgenossenschaft91. Für weiteren Zündstoff sorgte die Entführung des Pfar-
rers Johannes Hofer. Die Regierung in Ensisheim hatte Hofer festnehmen lassen, weil er als Pfarrer in
Niedersteinbrunn (Steinbrunn-le-Bas) evangelisch predigte. Als der Zug mit dem Gefangenen auf dem Weg
nach Ensisheim durch Mülhauser Gebiet kam, entführten Verwandte den Pfarrer und brachten ihn in der
Stadt in Sicherheit92. Erzherzog Ferdinand wandte sich daraufhin erneut an die Tagsatzung, die Mülhausen
am 9. Dezember 1525 drängte, der Regierung in Ensisheim den Pfarrer wieder zu übergeben93. Die Inter-
vention der eidgenössischen Orte blieb jedoch ohne Wirkung.
Ein letzter Versuch, die religiöse Einheit innerhalb der Eidgenossenschaft wiederherzustellen, bildete die
zwischen dem 21. Mai und 8. Juni 1526 in Baden im Thurgau abgehaltene Disputation, an der auch
Mülhausen mit dem Bürgermeister Gilgauer, dem Stadtschreiber Gamsharst und den beiden Predigern
Geschmus und Glotter teilnahm. Die Disputation führte aber weniger zu einer Annäherung der beiden
Parteien als vielmehr zu einer weiteren Verschärfung des Konflikts. Von seiten der altgläubigen Orte wurde
nun auch eine mögliche gewaltsame Beendigung der reformatorischen Bewegung in der Schweiz in Erwä-
gung gezogen94.
Auf der am 18. Juli 1526 in Luzern abgehaltenen Tagsatzung versuchte der Mülhauser Bürgermeister
Achatius Gilgauer, die Stadt gegen den Vorwurf zu verteidigen, dem lutherischen Lager anzugehören. Er
betonte dabei das Festhalten an der Messe, den Sakramenten und Bildern. Die Verkündigung des Wortes
Gottes gemäß der Hl. Schrift könne man nicht verbieten. Den Predigern sei jedoch vom Rat alles Streiten
und Polemisieren auf der Kanzel untersagt worden. Gegenüber den Delegierten mußte sich Gilgauer auch
wegen der Aufhebung des Klarissenklosters in Mülhausen rechtfertigen. Er tat dies mit dem Hinweis auf
die unhaltbare finanzielle Situation des Klosters, die ein Fortbestehen des Konvents nicht mehr erlaubt
hätte95.
Noch auf der Tagsatzung in Luzern beschlossen die altgläubigen Orte, den Bund mit Zürich, Sankt
Gallen und Mülhausen nicht zu erneuern, wenn diese die kirchlichen Veränderungen nicht rückgängig
88 Der Brief findet sich in Zwingli, Werke 3, S. 374-378.
89 Siehe oben S. 161.
90 Vgl. Mossmann, Cartulaire 5, Nr. 2155, S. 103.
91 Ebd., Nr. 2157, S. 104 und Fürstenberger, Mülhau-
ser Geschichten, S. 145. Zu den Verträgen der Einung s.
Eidgenössische Abschiede 2, S. 473-481, 913-916 und
920.
92 Zu diesem Vorfall vgl. z.B. Adam, Kirchengeschichte
Elsaß, S. 557.
93 Vgl. Mossmann, Cartulaire 5, Nr. 2158 und 2159,
S. 105f.
94 Vgl. Muralt, Badener Disputation, S. 123-147.
95 Zur Aufhebung des Klarissenklosters vgl. Moeder,
Église, S. 115-118. Ein Jahr zuvor hatten Boten der
befreundeten Orte Basel, Bern und Schaffhausen den
Mülhauser Rat ausdrücklich vor einer solchen Maß-
nahme gewarnt und für ein gemeinsames Vorgehen aller
eidgenössischen Stände in der Frage der Klöster plädiert,
s. Mossmann, Cartulaire 5, Nr. 2150, S. 98f.
166
Zur geistlichen Unterstützung widmete Ulrich Zwingli der christenlichen kilchen in Mülhausen seine
1525 erschienene Schrift „Wer ursache gebe zu aufruhr“. In dem Dedikationsbrief, der auf den 7. Dezember
1524 datiert ist, tröstet er die Gemeinde, daß nach der Vorhersage des Apostels Paulus alle, die dem Wort
Gottes anhingen, Widerstand erdulden müßten. Daher werde auch Mülhausen vil verspottung, lestrung, tratz
und tröuwen zu ertragen haben. Besonders empfahl er der Stadt ihren Prediger Nikolaus Pruckner, damit er
sie wie bisher trülich lere88 . Vor allem Pruckner aber war den eidgenössischen Orten ein Dorn im Auge89.
Während des Bauernkriegs verschärfte sich die Lage der Stadt deutlich. Der schon lange schwelende
Konflikt Mülhausens mit der österreichischen Regierung in Ensisheim spitzte sich zu. Da viele Bauern nach
der Niederlage bei Scherweiler sich in die Reichsstadt flüchteten, warf die österreichische Regierung Mül-
hausen die Unterstützung der Aufständischen vor. Am 3. November 1525 trugen Räte Erzherzog Ferdi-
nands der in Luzern versammelten eidgenössischen Tagsatzung ihre Beschwerden gegen Mülhausen
vor90. Drei Tage später forderten die Delegierten der Tagsatzung die Stadt in einem Schreiben auf, die
pannditen und flüchtig lüt auszuweisen. Die Delegierten beriefen sich dabei auf die bestehende Erbeinung
zwischen Österreich und der Eidgenossenschaft91. Für weiteren Zündstoff sorgte die Entführung des Pfar-
rers Johannes Hofer. Die Regierung in Ensisheim hatte Hofer festnehmen lassen, weil er als Pfarrer in
Niedersteinbrunn (Steinbrunn-le-Bas) evangelisch predigte. Als der Zug mit dem Gefangenen auf dem Weg
nach Ensisheim durch Mülhauser Gebiet kam, entführten Verwandte den Pfarrer und brachten ihn in der
Stadt in Sicherheit92. Erzherzog Ferdinand wandte sich daraufhin erneut an die Tagsatzung, die Mülhausen
am 9. Dezember 1525 drängte, der Regierung in Ensisheim den Pfarrer wieder zu übergeben93. Die Inter-
vention der eidgenössischen Orte blieb jedoch ohne Wirkung.
Ein letzter Versuch, die religiöse Einheit innerhalb der Eidgenossenschaft wiederherzustellen, bildete die
zwischen dem 21. Mai und 8. Juni 1526 in Baden im Thurgau abgehaltene Disputation, an der auch
Mülhausen mit dem Bürgermeister Gilgauer, dem Stadtschreiber Gamsharst und den beiden Predigern
Geschmus und Glotter teilnahm. Die Disputation führte aber weniger zu einer Annäherung der beiden
Parteien als vielmehr zu einer weiteren Verschärfung des Konflikts. Von seiten der altgläubigen Orte wurde
nun auch eine mögliche gewaltsame Beendigung der reformatorischen Bewegung in der Schweiz in Erwä-
gung gezogen94.
Auf der am 18. Juli 1526 in Luzern abgehaltenen Tagsatzung versuchte der Mülhauser Bürgermeister
Achatius Gilgauer, die Stadt gegen den Vorwurf zu verteidigen, dem lutherischen Lager anzugehören. Er
betonte dabei das Festhalten an der Messe, den Sakramenten und Bildern. Die Verkündigung des Wortes
Gottes gemäß der Hl. Schrift könne man nicht verbieten. Den Predigern sei jedoch vom Rat alles Streiten
und Polemisieren auf der Kanzel untersagt worden. Gegenüber den Delegierten mußte sich Gilgauer auch
wegen der Aufhebung des Klarissenklosters in Mülhausen rechtfertigen. Er tat dies mit dem Hinweis auf
die unhaltbare finanzielle Situation des Klosters, die ein Fortbestehen des Konvents nicht mehr erlaubt
hätte95.
Noch auf der Tagsatzung in Luzern beschlossen die altgläubigen Orte, den Bund mit Zürich, Sankt
Gallen und Mülhausen nicht zu erneuern, wenn diese die kirchlichen Veränderungen nicht rückgängig
88 Der Brief findet sich in Zwingli, Werke 3, S. 374-378.
89 Siehe oben S. 161.
90 Vgl. Mossmann, Cartulaire 5, Nr. 2155, S. 103.
91 Ebd., Nr. 2157, S. 104 und Fürstenberger, Mülhau-
ser Geschichten, S. 145. Zu den Verträgen der Einung s.
Eidgenössische Abschiede 2, S. 473-481, 913-916 und
920.
92 Zu diesem Vorfall vgl. z.B. Adam, Kirchengeschichte
Elsaß, S. 557.
93 Vgl. Mossmann, Cartulaire 5, Nr. 2158 und 2159,
S. 105f.
94 Vgl. Muralt, Badener Disputation, S. 123-147.
95 Zur Aufhebung des Klarissenklosters vgl. Moeder,
Église, S. 115-118. Ein Jahr zuvor hatten Boten der
befreundeten Orte Basel, Bern und Schaffhausen den
Mülhauser Rat ausdrücklich vor einer solchen Maß-
nahme gewarnt und für ein gemeinsames Vorgehen aller
eidgenössischen Stände in der Frage der Klöster plädiert,
s. Mossmann, Cartulaire 5, Nr. 2150, S. 98f.
166