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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0231
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9. Gutachten zur Gestaltung der Gottesdienste [1528]

moß wirt er von einem jeglichen christen erfordert,
daß wo sich füg zeit und weyß und der sach gelegen-
heit begibt. Wo sich denn ein christ deseß usser-
lichen gotzdienst und der sach und zeichen unserß
berren33 wolt beschemen und dem nechsten zu gutt
nitt wolt gebrauchen, wolt sich also seines herren
beschemen und in umm der menschen willen vor den
menschen nitt bekennen, dem selbigen kann manß
nitt fürgutt han34. Man | kan in auch nitt wol für ein
gottgloubigen menschen halten, darumb, daß der
gloub, wo er mag und inn einem menschen ist, nitt
feyrett35, der masse zu leuchten vor den menschen,
daß Gott gelobt wirt36, et cetera.
Wo eß sich aber nitt will fiegen und weder zeit noch
weyl erleyden37 mag, daß sich einer deseß usserlicher
gotzdienst kende gebrauchen, wirt in diser ußwen-
diger gotzdienst underlassen also wenig hindern an
der seligkeit, alß wenig eß in mag fürdern. Und wirt
demselbigen menschen zu seinem heil beniegig sein
gloub und lieb, daß do ettwaß vor Gott gilt (am 5
[V. 6] zun Galatern) und daß do bey Gott für der
waren gotzdienst wirt gehalten. So daß wirß gantz
mitt eim sagen und eigentlicher: Der gloub und
zuversicht zu Gott durch Christum ist daß einig
werck, daß Gott also wol gefelt und daß do der recht
gotzdienst ist und gnugsam zu der seligkeit. Aber
wo man zeit und weyl, statt und personen hatt, er-
fordert mann von einem christen die liebe gegen
dem nechsten, gedult under dem creutz, den wasser-
touff, den tisch deß herren, predig herenn, Gott
dancken, Gott unendlich lieben und eren38 etc. Nitt,
daß diese ding auch ettwas schaffen zu unserem heil,
aber daß der gloub, der unß selig macht, die art an
im hatt, sollich und der gleichen frücht zu tragen,
oder aber eß ist kein wahrer, sondern falscher gloub.

n Gestr.: Got anbeten.
o Gestr.: gedient.

33 Gebahrens, Haltung, s. FWb 2, Sp. 2001 (s.v. bäre, bere).
34 Vgl. Mt 10,32-33; Lk 12,8-9.
35 Ruht, säumt, s. Idiotikon 1, Sp. 922 (s.v. firen).
36 Vgl. Mt 5,16.

In summa: Der war, recht gotzdienst stott39 inn kei-
nen usserlichen dingen, weder im wassertouff noch
inß herren nachtmal, nicht im psalmen singen noch
irgent inn eim ceremonischen werck (den solcher
mügen sich gebrauchen und üben auch die gottlo-
sen, on allen geist und glouben). Allein im glouben
und vertrawen zu Gott durch Christum wirt Gott
rechto im geist und inn der warheit geerett und an-
gebettet und im recht gedienet40. Mir reden aber
von einem sollichen glouben, der do also vol ist mitt
verstand der gnaden und barmhertzigkeit Gottes,
daß er deß menschen hertzen zu groß ist und hatt
inn dem selbigen nitt weytti. Darumb, so bleipt er
nitt verporgen und vergraben im hertzen; er bricht
und tringt heruß in mund, in die hend, im wort,
werck und leben etc., wie zun Remeren stett am 10.
[10] und Matthei am 12. [36-37]. |
Und, daß wir kummen zum beschluß, so wend wir
inn fürgebung deseß erstbeschribnen usserlichen, ce-
remonischen gotzdienst also wenig gezigen41 werden,
daß wir die werck und daß usserlich treiben und dar-
neben den glouben und daß innerlichst versoumen.
Also, daß wir auch setzen diese schlußred: Welcher
mensch sich wurd bekümmeren mitt disem usser-
lichen gotzdienst, eß sey mitt singen, predigen, bet-
ten, dancken, essen vom tisch deß herren etc., und
wurd aber manglen deß glouben und vertrawen zu
Gott durch Christum (welches allein der geistlich
und war gotzdienst ist), der wirt sich und ander
leytt betriegen, gleyßnerey42 treyben und auch sun-
den, dortzu, wie Pau[lus] sagt zun Remeren am 14
[23]: Waß nitt auß dem glouben kumpt etc.
Also gnedigen, lieben herren, auff ewer frag und an-
forderen, so ist daß nitt unser meinung oder ant-
wort, aber der geschrifft meinung und antwort, wie

37 Es [...] gestatten.
38 Mk 12,30-31par.
39 Besteht.
40 Vgl. Joh 4,23-24.
41 Bezichtigt, s. FWb 5, Sp. 2081f.
42 Heuchelei, vgl. FWb 6, Sp. 2352f.

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