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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0247
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13. Mandat zur Predigt des Evangeliums und zur Unterbindung verschiedener Mißbräuche 1537

13. Mandat zur Predigt des Evangeliums und zur Unterbindung
verschiedener Mißbräuchea
12. Januar 1537

Wir, Burgermeyster und Radt der Statt Mülhusen,
verkünden allen unnd yeglichen unsern Burgern /
burgerin, hindersessen, verwandten und Inwoneren
diser Statt, in was würden, wesens oder stands die
syen:
[I.] Die wyl alle Christen menschen uß rechter Chri-
stenlicher pflicht dem wort Gottes on mittel under-
worffen und daruß alleyn irer seligkeit, als in dem
wort des lebens1 und der ware Seelen spyß, zu er-
warten haben, Nach welchem wort all unser leben
und wandel gericht soll werden, Und so dann etlich
jar har das liecht uß gnaden Gottes durch verkün-
dung des Evangelions von Christo richlich erschy-
nen ist, darinn uns die warheyt etwas trüwlicher
dann vormols eroffnet und geprediget würd, deß-
halb wir Gott, unserm heylandt, billich danckbar
syn söllen, So sehen wir doch, das etlich mit grosser
undanckbarkeyt den zorn Gottes uff sich laden, de-
nen es schwerlicher wirt zu verantwurten am tag des
herren dann Sodome unnd Gomorre2 , unnd dem
wort nit alleyn widersprechend, sonder ouch die die-
ner sampt den flissigen zuhörern mit vilfeltiger
schmach und lesterung antastend, nennen sye ket-
zer, schelmen, lecker3 und buben4 und der glichen
und wöllend die eynfalt des gemeynen volcks darmit
verwirren und abfellig machen von dem weg der
warheyt,
Dem allem vor zu sin, die wyl wir die neygung und
entlichs willens, uns ouch alls Christen lüt des schul-
a Textvorlage (Einblattdruck): AM Mulhouse Nr. 4177.
Ein zweites Exemplar des Einblattdrucks befindet sich
ebd. unter der Nr. 4178. Französische Übersetzung von
Teilen des Mandats in Mieg, Réforme, S. 147f.

1 Vgl. Phil 2,16; 1Joh 1,1.
2 Vgl. Lk 10,12.
3 Lecker hat ein breites Bedeutungsspektrum: etwa Tage-
dieb, Heuchler, Schwätzer, Schelm, Gauner, Bösewicht,
s. FWb 9, Sp. 560f.

dig erkennen, ob dem wort Gottes (so vil müglich)
zu halten und die Evangelische warheyt zu schüt-
zen, schirmen und zuo handhaben, damit Christen-
liche, brüderliche liebe und eynigkeyt under den un-
sern gepflantzt werd, So haben wir wol bedachtlich
und eynhellig erkennt unnd wöllend, das alle unser
Predicanten und Diacon, so von uns zu disem kir-
chen dienst berüfft unnd gesant sind, alleyn das hei-
lig Evangelion, in Altem und Nüwem testament uß-
truckt als biblischer geschrifft, vom brunnen des
lebens har geflossen5, fry offentlich predigen sollen
und sich anderer leeren als unnutzer fablen und
danntmären6, so der heylsame und gesunde leer
zuwider, gantz entschlachen7, Alleyn daruff len-
den8 in allem irem fürtrag, das die eer unsers eyni-
gen erlösers und mitlers Jesu Christi vorschweb und
brüderliche trüw, eynigkeyt und liebe trüwlich ge-
lert werd9.
Wir wöllen ouch hiemit ernstlich verbotten haben,
das keyner in unser Statt und gebiett, er sey wes
stands er wöll, nyemants ußgnomen, die obgenanten
unsere predicanten, so das wort Gottes verkündend,
schmech oder lestere, sonder, ob yemants vermeynt,
das ir eyner in synem predig ampt eyn feel gelegt
hett, der mag in des mit heiliger gschrifft bewisen,
dar zu ouch der prediger syner leer halb vor uns
rechenschafft zu geben pflichtig syn soll. Wo aber
yemants dise unsere gebott und trüwe warnung ver-
achten wurd und sins gfallens yemants hieß lie-
gen10 oder mit schelt worten den diener schmechen,
4 Schurke, Spitzbube, s. FWb 4, Sp. 1299-1301.
5 Vgl. Joh 4,14; Off 21,6.
6 Lügenmärchen, s. FWb 5, Sp. 129f.
7 Sich entziehen, meiden, s. Grimm, DWb 3, Sp. 602-604.
8 Lenden - sich dahin wenden, sich richten auf, s. FWb 9,
Sp. 960f.; Grimm, DWb 12, Sp. 103; Idiotikon 2,
Sp. 1308 (im DWb und Idiotikon s.v. länden).
9 Vgl. dazu das Mandat zur Predigt des Evangeliums vom
25. bzw. 29. Juli 1523 (Nr. 1).
10 Jemanden beschuldigte, zu lügen.

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