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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0366
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Münster im Münstertal

2. Kirchenordnung, [26. August bzw. 4. September 1575 / nach 9. August 1580], (Text S. 369)
Am 8. Januar 1575 erließ der Münsterer Rat eine Kirchenordnung für die Stadt und das Tal63. Veröffent-
licht und abgekündigt wurde sie jedoch erst ein halbes Jahr nach dem Abschluß des Kientzheimer Vertra-
ges, am 26. August in der Pfarrkirche in Münster und am 4. September in der Mühlbacher Kirche. Die
Ordnung enthält eine Reihe älterer Mandate des Rates, die wiederholt und bestätigt werden (s. auch die
Überschrift). Laut den Marginalien der Handschriften A (AMS 1 AST 98, Nr. 72) und B (AM Munster GG
39) stammen die Erlasse aus den Jahren 1556, 1570 und 157564. Daneben finden sich aber auch Mandate,
die nach den Einträgen am Rand der beiden Handschriften in den Oktober 1576 und den Juni 1577 zu
datieren sind, also aus der Zeit nach Erlaß und Abkündigung der Kirchenordnung herrühren. In Kapitel II
7 „Wider das ärgerlich verheürathen“ (S. 377-379) wird zudem auf das „Mandat von der excommunication
oder dem christenlichen bann“ vom 13. September 157865 und auf das „Mandat von dem gewölten, schwam-
men undt sontags tantzen“ vom 24. Juni 158066 Bezug genommen. Das dort genannte Datum der Abkün-
digung des zweiten Mandats, nämlich der 9. August 1580, bildet den Terminus post quem für die in den
Handschriften A und B überlieferte Form der Kirchenordnung. In der Handschrift C (AM Munster AA 11)
fehlen die Abschnitte I 3 („Vom auß- und einfahren am Sontag“), I 5 („Wercken, item alles kaufen [...]“)
und I 10-13 („Von dem h. kindertauff“, „Von gevatterschafft“, „Vom h. nachtmahl“ und „Von den hoch-
zeiten“) sowie II 7 („Wider das ärgerlich verheürathen“), also die Erlasse, die vom 6. Oktober 1576 oder
später stammen. Wenn man vom Bestand der Handschrift C ausgeht, enthielt die ursprüngliche, 1575
abgekündigte Kirchenordnung also vermutlich die Vorrede, die Kapitel I 1-2, I 4, I 6-9, II 1-6, III bis VIII
und den „Beschluß“. In den folgenden Jahren wurden dann die Abschnitte über die Taufe und die Tauf-
paten, über das Abendmahl und die Hochzeiten sowie über das ärgerlich verheürathen hinzugefügt.
Die Kirchenordnung wird in der Literatur oft dem Münsterer Pfarrer Paul Leckdeig zugeschrieben67.
Für eine enge Verbindung des Verfassers zu Straßburg spricht zumindest die Vorrede. In ihr wird der Erlaß
der Kirchenordnung mit der Pflicht des Magistrats als christlicher Obrigkeit begründet, den Zorn Gottes,
der sich in Missernten, Teuerung und Hungersnot, ungewöhnlicher Witterung, Krieg und Pest gezeigt hat,
durch die Anleitung der Gläubigen zu Buße und einer erneuerten Gesinnung abzuwenden. Über weite
Strecken entspricht die Vorrede der Kirchenordnung wörtlich der Praefatio zur großen Zuchtordnung der
Stadt Straßburg vom 11. November 157368.
Die Kirchenordnung selbst umfaßt acht Kapitel. Die ersten beiden Kapitel machen dabei fast drei
Viertel des Umfangs der Ordnung aus. Die beiden Pfarrer sollen das Wort rein und lauter predigen und die
Sakramente gemäß der Einsetzung Christi verwalten. Sie werden auf die Confessio Augustana verpflichtet.
Allen nicht auf dem Boden dieses Bekenntnisses stehenden „Rotten und Sekten“ sollen sie entgegentreten.
Täufer und andere Gruppierungen scheinen im Münstertal während des 16. Jh. aber keine Rolle gespielt zu
haben69. Ausdrücklich eingeschärft wird den beiden Pfarrern nochmals das bereits im Kientzheimer Vertrag
enthaltene Verbot des Schmähens der Altgläubigen70. Dagegen werden die Gläubigen, in Wiederholung
älterer Mandate, zur Heiligung der Sonn- und Feiertage sowie zur Teilnahme am Gottesdienst und am
kirchlichen Unterricht ermahnt. Was die Zahl der Feiertage anbelangt, ist es in Münster wohl zu keiner
durchgreifenden Reduktion gekommen. Bei der Taufe steht die Auswahl der Paten im Vordergrund: Vom

63 Das Datum steht am Ende der Ordnung, findet sich aber
auch als Marginalie am Rande der Vorrede.
64 Erhalten ist in AM Munster FF 80 eine kurze Sonn- und
Feiertagsordnung vom 4. Februar 1570. Sie trägt die
Überschrift: Newe, verbeßerte Kirchenordnung etc. Abge-
kündigt wurde sie am 19. Februar 1570.
65 Nr. 4.
66 Nr. 6.

67 Vgl. z.B. Bopp, Protestantische Pfarrer I, S. 61.
68 Die Vorrede zur Straßburger Zuchtordnung ist ediert in
Sehling, EKO XX,1. S. 490f.
69 In den Quellen finden sich für das 16. Jh. jedenfalls keine
Hinweise auf Täufergruppen oder andere Sekten im
Münstertal. Vgl. auch Rathgeber, Münster, S. 9.
70 Vgl. Nr. 1, S. 355 und den unter Nr. 7 veröffentlichten
Text.

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