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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0430
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Hagenau

Da die Angelegenheiten der Reichslandvogtei zu diesem Zeitpunkt noch immer ungeklärt waren, ent-
sandten die Städte der Dekapolis eine gemeinsame Delegation an den Kaiserhof. Ihr gehörte auch der
Hagenauer Stettmeister Rochus Botzheim an. Nach dem Bericht des Unterlandvogts Bollweiler soll sich
Botzheim während des Aufenthalts bei Kaiser Maximilian II. um eine Genehmigung zur Feier des Abend-
mahls unter beiderlei Gestalt in Hagenau bemüht haben73.
Die Zünfte wurden auf ihren Stuben am 9. November durch den Stettmeister und den Stadtschreiber
darüber unterrichtet, daß der Rat dem Wunsch der evangelischen Bewohner entsprochen habe, die das
Abendmahl unter beiderlei Gestalt feiern wollten. Ihnen sei die Franziskanerkirche eingeräumt und die
Erlaubnis erteilt worden, einen geeigneten Pfarrer anzustellen, der das Evangelium predigen und die Sakra-
mente gemäß der Einsetzung Christi und der Confessio Augustana verwalten könne. Die städtische Füh-
rung sah die Entscheidung durch den Augsburger Religionsfrieden gedeckt und verwies auf das Vorbild
anderer Reichsstädte. Ausdrücklich betont wird in der Mitteilung an die Zünfte, daß man nicht die Absicht
habe, die katholischen Gottesdienste abzuschaffen oder Änderungen bei den Pfarreien oder den Klöstern
vorzunehmen. Entsprechend scheinen auch die altgläubigen Geistlichen der Stadt informiert worden zu
sein74.
In mehreren Briefen an die Regierung in Innsbruck berichtete der Unterlandvogt Nikolaus Bollweiler
über das Geschehen in Hagenau in diesem Monat. Er war der Auffassung, daß es angesichts der herr-
schenden Unzufriedenheit mit der städtischen Führung bei der Einsetzung eines evangelischen Prädikanten
nicht ohne Blutvergießen abgehen würde75.
2. Bestellung eines evangelischen Pfarrers, 9. November 1565 (Text S. 425) / 3. Vorrede Jakob Andreäs zur
Sammlung seiner in Hagenau bei Einführung der Reformation gehaltenen Predigten, 24. Juni 1566 (Text
S. 429)
Noch am gleichen Tag, an dem die Zünfte informiert wurden, wandten sich Stettmeister und Rat in einem
Brief an Herzog Christoph von Württemberg mit der Bitte um die Überlassung eines Prädikanten, der in
Hagenau den grundstein zum Bau einer Gemeinde legen könne. Den Brief übergab eine Delegation der
Stadt bestehend aus dem Alt-Stettmeister Melchior Sessolsheim, dem Ratsherrn Johannes Eschbach
(Espach) und dem Stadtschreiber Cornelius Feuerstein in Tübingen76. Herzog Christoph entsandte darauf-
hin zunächst den Kanzler und Theologieprofessor der Universität Tübingen Jakob Andreä nach Hagenau,
der sich zuvor schon an verschiedenen Orten als Reformator und Visitator bewährt hatte77.
Andreä traf am 27. November 1565 in Hagenau ein und wurde ehrenvoll vom Magistrat zunächst auf
das Rathaus und dann zu seiner Unterkunft geleitet. Drei Tage später begann er mit einer Predigt über die
Berufung der Jünger aus Mt 4,18-22 seine Tätigkeit in Hagenau. Um den offiziellen Charakter seines
Wirkens zu verdeutlichen, wurde er jeweils durch den Stettmeister und mehrere Ratsherren zu den Predig-
ten in der Franziskanerkirche gebracht. Zwischen dem 30. November 1565 und dem 6. Januar 1566 hielt
Andreä insgesamt 19 Predigten in Hagenau78. Umrahmt wurden diese von deutschen Kirchenliedern. The-
matisch behandelte Andreä in seinen Predigten u.a. die Nachfolge Christi, die Hl. Schrift und ihre Lektüre,
das Gebet, die Vollmacht der Kirche, das Abendmahl, das Amt der Obrigkeit, die Heiligung des Feiertags

73 Vgl. Grasser, Crises, S. 156f.
74 Dies geht aus dem Schreiben an Herzog Christoph von
Württemberg hervor (Nr. 2, S. 427): von zenfften zu
zenfften, deß gleichen der übrigen geistlichen, ordenß leu-
then und priesterschafften.
75 Die Schreiben Bollweilers vom November 1565 finden
sich in AD Bas-Rhin C 5, Nr. 9-11.
76 In seiner Predigt vom 6. Januar 1566 verglich Jakob

Andreä die drei Gesandten der Stadt Hagenau mit den
drei Magiern aus Mt 2,1-12. Vgl. Andreä, Christliche
Reformation, Bl. Ee 3r-v (S. 405f.).
77 Vgl. dazu das Biogramm unter Nr. 3, Anm. 1.
78 An den ersten beiden Terminen, dem 30. November und
dem 2. Dezember (1. Advent), sowie an Neujahr pre-
digte Andreä jeweils am Vormittag und am Nachmittag.

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