Hagenau
12. Verbot jeglicher Angriffe und Diskussionen wegen der Religiona
8. Mai 1617
Liebe und gute freundt,
Wie getrewe, eüfferig, vorsorg- und vatterlichen un-
ßere herren, maister und rath, dißer, des heiligen
reichs cammer undt statt Hagenaw, als ewer orden-
lich vorgesetzte obrigkeit, ihnen den gemeinen wohl-
standt, fried, ruhe, burgerliche liebe und wahre
vertrauwlichkeit bitz anhero wie noch eüserst ange-
legen sein laßen, das geben die vor disem wohlbe-
dächtlich uffgerichten edicta vilfältig zuerkennen,
bezeügts auch sonderlichen diß, was eüch lengst ver-
wichenen sechtzehenhundert und zehenden jars
gantz vätterlichen vorgehalten worden1, da ihr dann
ußfürlich ermant, in freündtlich- und schuldiger
einigkeit zuleben, allen widerwillen abzulegen, der
religion halben nicht zudisputiren und derowegen
einer den andern ohnangefochten zulaßen, sondern,
wie sich fridsamen und gehorsamben bürgern ge-
zimpt, mit unnd neben einander zuwohnen.
Ob nun wohl ehrnbemelter rath der ungezweiffenli-
chen zuversicht gelebt, es solte angeregtes2 edict in
schuldigem respect, obacht unnd gehorsamb von
menniglich gehalten werden, nit weniger auch ein
jeder vor sich selbst zu einhelliger liebe, gutem ver-
standt und concordi geneigt sein, so hat man doch
das wüderrig3 und sovil, das berurtes getrewe und
vorsorgeliches ermahnen bei theils verbürgerten,
bey- und angehörigen im wenigsten gefrüchtet, mit
nit geringer beschwerden vernehmen müßen, zu dem
sich nit allein das unnötig und bereits verbottene
disputiren von der religion, vornemblichen aber in
den gastherbergen bey der weinfeüchten4 continu-
iren, das bürgerliche vertrawen sinckhen und hin-
gegen alles mißtrawen einschleichen, sonderlichen
aber auch allerhandt verbitterliche treuewort5 von
etlichen gewüssen und bekandten personen wider
e[ines] e[rsamen] rathes schuldigen, mit pflicht und
aydten hochbedeuerten gehorsams6 unerachtet aus-
gegossen werden wöllen.
Wann dan dißes solche düng seindt, so in allen rech-
ten verbotten, des heiligen reichs constitutionibus
und bürgerlichem gehorsamb stracks zuwider und
endgegen lauffen, auch von e[inem] e[rsamen] rath,
als ewer ordenlichen vorgesetzten obrigkeit, zu fürt-
pflantzung des geliebten fridens und underhaltung
erwintster7 einigkeit gebürende inspection8 und
nothwendiges einsehen zuhaben, keines wegs nach-
gesehen werden kan noch soll, als9 will man dem-
nach hievorige, sonderlichen aber das den fünfften
Aprilis sechzehenhundert und zehen dadirt und in
ermeltem jahr publicirte edict10 widerumben hiehero
erholt11 und darbey von newen dingen angezeugt,
verwarndt, gebotten und alles ernstens untersagt
haben, das ier einer den andren seines glaubens und
a Textvorlage (Handschrift): AM Hagenau GG 54, Nr. 12
(mit Siegelspuren). Das Blatt ist an mehreren Stellen
eingerissen.
1 Gemeint ist das Mandat vom 5. April 1610 (Nr. 10), das
auch weiter unten nochmals Erwähnung findet.
2 Erwähntes, s. FWb 1, Sp. 1359f.
3 Gegenteil, s. Grimm, DWb 29, Sp. 1437f. (s.v. widrig).
4 (Durch den Genuß von Wein verursachter) Rausch, s.
Grimm, DWb 28, Sp. 913f. (s.v. weinfeucht).
5 Zur Verbitterung führende Drohworte, s. Grimm,
DWb 2, Sp. 1350 (s.v. dräuwort, abgeleitet vom Verb
dräuen - „drohen“).
6 Durch (moralische) Verpflichtung und durch Eideslei-
stung erhärteter Gehorsam, s. FWb 4, Sp. 220-223
(pflicht) und FWb 3, Sp. 2005 (beteuern).
7 Erwünschter (für die Verwendung des i anstelle des ü
vgl. auch unten überflißigen für „überflüssigen“).
8 Aufsicht, s. FWb 8, Sp. 161.
9 Also.
10 Dieser Druck des Mandats scheint nicht erhalten zu
sein.
11 Wiederholt, s. Grimm, DWb 3, Sp. 853 und DRW 3,
Sp. 205.
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12. Verbot jeglicher Angriffe und Diskussionen wegen der Religiona
8. Mai 1617
Liebe und gute freundt,
Wie getrewe, eüfferig, vorsorg- und vatterlichen un-
ßere herren, maister und rath, dißer, des heiligen
reichs cammer undt statt Hagenaw, als ewer orden-
lich vorgesetzte obrigkeit, ihnen den gemeinen wohl-
standt, fried, ruhe, burgerliche liebe und wahre
vertrauwlichkeit bitz anhero wie noch eüserst ange-
legen sein laßen, das geben die vor disem wohlbe-
dächtlich uffgerichten edicta vilfältig zuerkennen,
bezeügts auch sonderlichen diß, was eüch lengst ver-
wichenen sechtzehenhundert und zehenden jars
gantz vätterlichen vorgehalten worden1, da ihr dann
ußfürlich ermant, in freündtlich- und schuldiger
einigkeit zuleben, allen widerwillen abzulegen, der
religion halben nicht zudisputiren und derowegen
einer den andern ohnangefochten zulaßen, sondern,
wie sich fridsamen und gehorsamben bürgern ge-
zimpt, mit unnd neben einander zuwohnen.
Ob nun wohl ehrnbemelter rath der ungezweiffenli-
chen zuversicht gelebt, es solte angeregtes2 edict in
schuldigem respect, obacht unnd gehorsamb von
menniglich gehalten werden, nit weniger auch ein
jeder vor sich selbst zu einhelliger liebe, gutem ver-
standt und concordi geneigt sein, so hat man doch
das wüderrig3 und sovil, das berurtes getrewe und
vorsorgeliches ermahnen bei theils verbürgerten,
bey- und angehörigen im wenigsten gefrüchtet, mit
nit geringer beschwerden vernehmen müßen, zu dem
sich nit allein das unnötig und bereits verbottene
disputiren von der religion, vornemblichen aber in
den gastherbergen bey der weinfeüchten4 continu-
iren, das bürgerliche vertrawen sinckhen und hin-
gegen alles mißtrawen einschleichen, sonderlichen
aber auch allerhandt verbitterliche treuewort5 von
etlichen gewüssen und bekandten personen wider
e[ines] e[rsamen] rathes schuldigen, mit pflicht und
aydten hochbedeuerten gehorsams6 unerachtet aus-
gegossen werden wöllen.
Wann dan dißes solche düng seindt, so in allen rech-
ten verbotten, des heiligen reichs constitutionibus
und bürgerlichem gehorsamb stracks zuwider und
endgegen lauffen, auch von e[inem] e[rsamen] rath,
als ewer ordenlichen vorgesetzten obrigkeit, zu fürt-
pflantzung des geliebten fridens und underhaltung
erwintster7 einigkeit gebürende inspection8 und
nothwendiges einsehen zuhaben, keines wegs nach-
gesehen werden kan noch soll, als9 will man dem-
nach hievorige, sonderlichen aber das den fünfften
Aprilis sechzehenhundert und zehen dadirt und in
ermeltem jahr publicirte edict10 widerumben hiehero
erholt11 und darbey von newen dingen angezeugt,
verwarndt, gebotten und alles ernstens untersagt
haben, das ier einer den andren seines glaubens und
a Textvorlage (Handschrift): AM Hagenau GG 54, Nr. 12
(mit Siegelspuren). Das Blatt ist an mehreren Stellen
eingerissen.
1 Gemeint ist das Mandat vom 5. April 1610 (Nr. 10), das
auch weiter unten nochmals Erwähnung findet.
2 Erwähntes, s. FWb 1, Sp. 1359f.
3 Gegenteil, s. Grimm, DWb 29, Sp. 1437f. (s.v. widrig).
4 (Durch den Genuß von Wein verursachter) Rausch, s.
Grimm, DWb 28, Sp. 913f. (s.v. weinfeucht).
5 Zur Verbitterung führende Drohworte, s. Grimm,
DWb 2, Sp. 1350 (s.v. dräuwort, abgeleitet vom Verb
dräuen - „drohen“).
6 Durch (moralische) Verpflichtung und durch Eideslei-
stung erhärteter Gehorsam, s. FWb 4, Sp. 220-223
(pflicht) und FWb 3, Sp. 2005 (beteuern).
7 Erwünschter (für die Verwendung des i anstelle des ü
vgl. auch unten überflißigen für „überflüssigen“).
8 Aufsicht, s. FWb 8, Sp. 161.
9 Also.
10 Dieser Druck des Mandats scheint nicht erhalten zu
sein.
11 Wiederholt, s. Grimm, DWb 3, Sp. 853 und DRW 3,
Sp. 205.
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