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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0054
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Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg

geseng und lesen der kirchen, widder lofliche hergebrachte ceremonien“ eingeführt werden (Art. 6). Die
Gemeinde sollte unterwiesen werden, dass „in dem hochwirdigsten sacrament des altars warhaftig lif und
blut Christi si“ (Art. 8) - eine Formulierung, die sowohl Transsubstantiationslehre als auch Luthers Ver-
ständnis von der Realpräsenz Christi beinhalten konnte.40
Der Charakter der Ordnung deutet auf den Einfluss des Erasmus von Rotterdam hin, mit dem Heres-
bach und Vlatten, aber auch der Klever Hof selbst in Kontakt standen. Die von Erasmus vertretene
Theologie war geprägt von schriftgemäßer Predigt, Reduzierung der Sakramente auf Taufe und Abendmahl
sowie dem Laienkelch.41 Erasmus’ unmittelbares Einwirken auf die Klever Kirchenordnung ist nicht belegt,
sein indirekter Einfluss, der sich in der irenischen Dogmatik zeigt, die das Gemeinsame hervorhebt und das
Trennende zurückdrängt, ist jedoch unverkennbar.42 Mit dieser Eigenart ähnelt die Kirchenordnung dem
Brandenburg-Ansbachischen Landtagsabschied von 152643 und der Nassau-Dillenburger Kirchenordnung
von 1532.44 Auch in diesen beiden Regelwerken wurden zahlreiche Zugeständnisse an die Altgläubigen
gemacht, der reformatorische Impetus wurde zurückhaltend formuliert: Missstände sollten abgeschafft,
nicht jedoch grundsätzliche Änderungen der kirchlichen Verhältnisse herbeigeführt werden.
Herzog Johann III. ließ die Klever Kirchenordnung den Amtleuten und Predigern mit der Ankündigung
einer baldigen Visitation zukommen.45 Im Lauf des Jahres 1532 wurde die Ordnung in den einzelnen Lan-
desteilen eingeführt, am 12. Februar wurde etwa der Amtmann zu Willich hiermit beauftragt und am
20. Mai erhielten die Amtleute der kleve-märkischen Hauptstädte gleichartige Aufforderungen.46
In ihrem dritten und fünften Kapitel verweist die Kirchenordnung darauf, dass das Glaubensbekenntnis
und das Vaterunser in einem separaten Druck ausgelegt werden sollten. Der hiermit angekündigte Kate-
chismus wurde jedoch erst im darauffolgenden Jahr realisiert. Am 3. Mai 1533 wandte sich von Vlatten an
Erasmus in Freiburg und bat ihn, eine katechetische Schrift zu den beiden genannten Themen sowie den
Zehn Geboten zu verfassen. Erasmus verwies in seiner Antwort vom 25. Juli darauf, dass ein solches Werk
aus seiner Feder bereits vor wenigen Monaten erschienen sei.47 Hiermit bezog er sich auf seine Schrift
„Dilucida et pia explanatio Symboli, quod apostolorum dicitur, decalogi praeceptorum et dominicae pre-

40 Becker, Duldung, S. 121-132; Biermann, Erasmus,
S. 22-25; Hashagen, Erasmus, S. 199-208; Goeters,
Kirchenordnungen, S. 122f.; Maurenbrecher, Ge-
schichte, S. 355f.; Rembert, Wiedertäufer, S. 52 Anm. 1;
Brämik, Verfassung, S. 24f., 43; Flüchter, Ich bin gut
bergs catholisch, S. 310-314; dies., Zölibat, S. 139; Hel-
bich, Pax et Concordia, S. 77f.; Szameitat, Heresbach,
S. 158-166. Demgegenüber sieht Forsthoff, Wes Gei-
stes Kind, S. 62, ders., Zur Geschichte 1922, S. 53, ders.,
Zur Geschichte 1923, S. 33f. in der Kirchenordnung ein
Bekenntnis zur Reformation. Zum Urteil der Zeitgenos-
sen siehe Helbich, Van allem schelden, S. 20-30.
41 Becker, Duldung, S. 102-109; Hashagen, Erasmus,
S. 181-189; Gail, Vlatten, S. 32-37; Smolinsky, Jülich-
Kleve-Berg, S. 90f.; Wolters, Heresbach, S. 35-63;
Schulte, Neutralität, S. 15f., 28-31; Forsthoff, Zur
Geschichte 1923, S. 34; Kloosterhuis, Erasmusjünger,
S. 485-532; Schröer, Reformation 1, S. 231f.; Mau-
renbrecher, Geschichte, S. 349; Franzen, Schicksal,
S. 87-111; Helbich, Pax et Concordia, S. 55-76.
42 Hashagen, Erasmus, S. 208-215 zeichnet den indirekten
Einfluss nach, vgl. ebd., S. 193-198; Forsthoff, Wes
Geistes Kind, S. 64f.; ders., Zur Geschichte 1922,

S. 43-46; Becker, Duldung, S. 132-139; Gail, Vlatten,
S. 32-37, S. 40f., 52; Dolan, Influence, S. 10-20; Bier-
mann, Erasmus, S. 27f.; Franzen, Schicksal, S. 95f.;
Smolinsky, Erasmianismus, S. 89; ders., Docendus,
S. 544; ders., Kirche in Jülich-Kleve-Berg, S. 106; Moli-
tor, Politik, S. 43-45; Szameitat, Heresbach, S. 172.
43 Sehling, EKO XI, S. 88-97; Richter, Kirchenordnun-
gen I, S. 50-55.
44 Sehling, EKO X, S. 57-63. Vgl. ebd., S. 24; Sehling,
EKO XI, S. 68, S. 160; Redlich, Jülich-Bergische Kir-
chenpolitik I, S. 252; Schulte, Neutralität, S. 41;
Schröer, Reformation 1, S. 233; Wolters, Heresbach,
S. 63 Anm. 3.
45 Redlich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik I, Nr. 239;
Biermann, Erasmus, S. 21; Schulte, Neutralität,
S. 35.
46 Redlich, Jülich-Bergische Kirchenpolitik I, Nr. 241.
Vgl. ebd., S. 252 Anm. 4. Scotti, Sammlung ... Cleve ...
Mark 1, S. 62.
47 Desiderii Erasmi Roterodami Opera omnia III, S. 1758;
Förstemann/Günther, Briefe, Nr. 183; Allen, Opus
epistolarum, Nr. 2804, Nr. 2845.

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