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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0057
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Einleitung

matik, die Erasmus’ Einfluss deutlich erkennen lässt.69 Sie sucht den Ausgleich und klammert kontroverse
Fragen aus, beruft sich auf das Evangelium als Maßstab und verficht eine auf Einheit zielende Kirchen-
reform.70 Der mit dieser Kirchenordnung beschrittene konfessionell eigenständige Weg, mit dem Herzog
Johann III. Reformen innerhalb der bestehenden kirchlichen Verhältnisse anstrebte, stand vor dem Hin-
tergrund der besonderen politischen Gegebenheiten in den Vereinigten Herzogtümern: Die einzelnen Unter-
herrschaften des erst 1521 entstandenen und somit noch jungen Territorialkomplexes bildeten weder poli-
tisch noch konfessionell eine Einheit, es gab keine herzoglichen Zentralorgane, sondern dezentrale Regie-
rungen in den jeweiligen Landesteilen, in denen man sich vor allem im Hinblick auf die reformatorische
Bewegung teilweise nur locker an den Herzog als den Landesherrn gebunden sah und - wie im Falle von
Soest - eine weitgehend eigenständige Reformationspolitik betrieb. Herzog Johann III. suchte mit seiner
integrativen Kirchenreform letztlich das Auseinanderfallen der politischen Kräfte in den einzelnen Lan-
desteilen zu verhindern und die Macht in der Hand zu behalten.71
Die Kirchenordnung und die Deklaration bildeten bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein
die Basis des landesherrlichen Kirchenregiments in Jülich-Kleve-Berg.72 Obwohl die Herzöge dauerhaft an
der Kirchenordnung von 1532/33 festhielten, gelang es ihnen nicht, sie in allen Landesteilen einzuführen.
Vor allem in den westfälischen Grafschaften scheiterte der Versuch - 1532 in Soest und 1533/34 in Her-
ford -, wo sich eine eigenständige, entschieden evangelische Stadtreformation durchsetzte.73

3. Täufermandate
3a. Mandat gegen Täufer und Anhänger anderer abweichender Lehren 12. Dezember 1534 (Text S. 73)
3b. Mandat gegen Täufer aus Münster 3. Juli 1535 (Text S. 75)
Zu Beginn der 1530er Jahre hatten die Täufer in den Vereinigten Herzogtümern zunächst wenig Bedeutung,
im Frühjahr 1534 nahm ihre Zahl jedoch im Zusammenhang mit der Errichtung des Täuferreichs in Mün-
ster zu. Obwohl sie für Jülich-Kleve-Berg keine ernst zu nehmende Größe darstellten,74 war Herzog Jo-

69 Biermann, Erasmus, S. 31. Zum Nachweis gezielten
erasmischen Einflusses siehe Hashagen, Erasmus,
S. 199-208; vgl. Schulte, Neutralität, S. 41-44; Forst-
hoff, Wes Geistes Kind, S. 64-66; Luttenberger,
Glaubenseinheit, S. 118-120; Flüchter, Zölibat,
S. 136-150; Helbich, Pax et Concordia, S. 77-79. Am
3. Mai 1533 schrieb Vlatten an Erasmus und kündigte
ihm die endgültige Fassung der Deklaration an, Allen,
Opus epistolarum 10, Nr. 2804; Erasmus’ Antwort vom
25. Juli 1533 ebd., Nr. 2845; vgl. Gail, Vlatten, S. 57f.;
Biermann, Erasmus, S. 34f. und Anm. 74f.; Redlich,
Jülich-Bergische Kirchenpolitik I, S. 278 Anm. 1; Has-
hagen, Erasmus, S. 185f.; Finger, Luther, S. 7.
70 Smolinsky, Jülich-Kleve-Berg, S. 91, 93; Brämik, Ver-
fassung, S. 24; Szameitat, Heresbach, S. 141-146.
71 Diese kirchenpolitische Linie teilten die Klever Herzöge
mit der Kurpfalz und Kurbrandenburg sowie in den
1540er Jahren auch mit Kurköln, siehe Martin Bucers
„Einfältiges Bedenken“ von 1543 in: Bucer, Deutsche
Schriften 11/1, S. 147-432. Vgl. Smolinsky, Kirchenpo-
litik, S. 317f.; ders., Jülich-Kleve-Berg, S. 91; ders., Eras-
mianismus, S. 78-83; Finger, Reformation, S. 84-86;
Goeters, Auswirkungen, S. 99; Luttenberger, Glau-
benseinheit, S. 117; Szameitat, Heresbach, S. 176; Mo-
litor, Politik, S. 48; Mühling, Obrigkeit, S. 16; Brä-

mik, Verfassung, S. 34; Freitag, Konfessionelle Kultu-
ren, S. 94.
72 So berief man sich auf diese Regelwerke am 14. Januar
1546 in einem Vertrag zwischen der Solinger Pfarrge-
meinde und der Zisterzienserabtei Altenberg (ZBGV 6
(1868), S. 187ff.), sowie am 16. Juli 1556 in einer Verord-
nung (von Steinen, Beschreibung, S. 156f.). Vgl. Kel-
ler, Gegenreformation 1, Nr. 7; Schröer, Reformation
1, S. 242f.; Flüchter, Ich bin gut bergs catholisch,
S. 309f.; Smolinsky, Kirchenordnungen, S. 61f.; Forst-
hoff, Zur Geschichte 1922, S. 37f.
73 Die Herzöge von Kleve waren Vögte des Reichsstifts Her-
ford und versuchten, ihren Einfluss in der Stadt geltend
zu machen. Zur Reformation in Herford siehe unten,
S. 159ff. Zur Reformation in Soest siehe Sehling, EKO
XXII. Auch in Lippstadt, einem Kondominat der Her-
zöge von Kleve und der Grafen zur Lippe, blieben die Ver-
suche des Herzogs, die lutherische Reformation zu unter-
binden, erfolglos. In Wesel setzte sich die Reformation
infolge des Zuzugs wallonischer Glaubensflüchtlinge 1544
durch, Smolinsky, Jülich-Kleve-Berg, S. 96; ders., Kir-
chenpolitik, S. 319f.; Goeters, Kirchenordnungen,
S. 126f.; ders., Entwicklung, S. 187-212.
74 Becker, Duldung, S. 141-157; Mühling, Obrigkeit,
S. 22; Goeters, Rolle, S. 70-80; Ehrenpreis, Obrig-

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