Das Hochstift und die Stadt Minden
tung, denn ebenso wie mit dem Vertrag von 1535 verpflichteten sich beide Seiten, Sorge dafür zu tragen,
dass ihre Priester und Prediger die Kanzelpolemik gegenüber der jeweils anderen Seite unterließen.85
6. Festlegung des evangelischen Bekenntnisstands im Fürstbistum 12. März 1583 (Text S. 154)
Franz von Waldeck, der von 1532 bis 1553 nicht nur Administrator des Bistums Minden, sondern auch
Bischof von Münster und Osnabrück war, hatte in den 1540er Jahren die Reformation im Bistum Osna-
brück eingeführt. Im Fürstbistum Minden waren unter dem Einfluss von Hermann Bonnus ebenfalls zahl-
reiche Kirchspiele evangelisch geworden.86
Der Mindener Bischof Hermann von Schaumburg, der aus einer evangelischen Familie stammte, bewies
auf dem Bischofsstuhl zwar Romtreue; nachdem er das Bistum 1582 an Heinrich Julius von Braunschweig-
Wolfenbüttel abgetreten hatte, zog er sich jedoch auf die Arensburg bei Bückeburg zurück und trat kurz
darauf in den Stand der Ehe.
Bischof Heinrich Julius87 schließlich zeigte auf dem Bischofsstuhl deutlich evangelische Tendenzen. In
seiner Konfessionspolitik orientierte er sich an der Linie des Kölner Erzbischofs Gebhard Truchsess von
Waldburg, der sich Ende 1582 öffentlich von Rom lossagte, zum Luthertum übertrat, die konfessionelle
Gewissensfreiheit in seinen Territorien zuließ und schließlich im Februar 1583 heiratete.88 In Anlehnung an
das Kölner Beispiel bestimmte Bischof Heinrich Julius von Minden in einem Erlass vom 12. März 1583,
dass sämtliche Pfarrer des Fürstbistums sich künftig auf die Confessio Augustana zu verpflichten hätten
und der landesherrlichen Regierung in Petershagen unterstellt seien. Somit wurden die 37 Pfarrkirchen des
Fürstbistums, von denen vier in den Städten Minden und Lübbecke und die übrigen auf den Dörfern lagen,
offiziell evangelisch. Die in der Stadt Minden lebende katholische Minderheit, die aus Domherren, Adeli-
gen, Mönchen und Stiftsherren bestand, konnte ihre Messen nur noch im Dom feiern.
Bischof Heinrich Julius verpflichtete die Geistlichen seines Territoriums zwar auf die Augsburger Kon-
fession, er organisierte das evangelische Kirchenwesen jedoch nicht mittels einer Kirchenordnung.89 Ver-
mutlich waren seit dem durch Franz’ von Waldeck in den 1540er Jahren angestrengten Reformationsver-
such vielerorts bereits Kirchenordnungen anderer Landesherren in Gebrauch. Dies belegen die Protokolle
der fürstbischöflichen Visitation zumindest für das Jahr 1650. Hiernach orientierte man sich mehrheitlich
an der Lüneburger Kirchenordnung von 1564, aber auch an der Mecklenburger von 1552, der Braun-
schweig-Wolfenbütteler von 1569, der Verdener von 1606 sowie der Schaumburger von 1615.90
Heinrich Julius’ Erlass von 1583 begründete die evangelische Landeskirche im Fürstbistum Minden, für
die schließlich ein evangelisch-lutherisches Landeskonsistorium gebildet wurde. Seit 1605 gab es einen evan-
gelischen Superintendenten, dem alle Pfarrer - mit Ausnahme der Städte Minden und Lübbecke, in denen
selbständige städtische Kirchenregimente bestanden - unterstellt waren.91
85 Zur Entstehung des Konflikts und zu den verschiedenen
strittigen Rechten siehe Rogge, Miteinander, S. 30-35.
Vgl. Bernstorf, Hermann, S. 90-93; Culemann, Ge-
schichte V, S. 61-67; Krieg, Einführung, S. 63; ders.,
Geschichte des Bistums, S. 61; Minden 1530, S. 66 Nr. 16.
Während Hermanns Pontifikat gab es mehrere kuriale
Rekatholisierungsversuche, die aber erfolglos blieben,
Roberg, Reformbemühungen, S. 675-694; Nordsiek,
Glaube und Politik, S. 51-53; Bernstorf, Hermann,
S.97-103.
86 Siehe oben, S. 113f.
87 Zu Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel
(1582-1585) siehe Aschoff, Heinrich Julius, S. 266-268;
Nordsiek, Einführung, S. 47; ders., Glaube und Politik,
S. 54; Olpp, Stellung, S. 40; Brandt/Hengst, Victrix
Mindensis ecclesia, S. 61f.; Schröer, Kirche in Westfa-
len 1, S. 65.
88 Nordsiek, Entstehung, S. 79; Goeters, Kirchenord-
nungen, S. 157; Kohl, Art. Waldburg, Gebhard Truchseß
von, in: BBKL 13 (1998), Sp. 189-191.
89 Wolgast, Einführung der Reformation, S. 242.
90 Nordsiek, Glaube und Politik, S. 56, 60; ders., Kirchen-
visitationsprotokolle.
91 Auch in Lübbecke, der zweitgrößten Stadt des Fürstbis-
tums, wurde die begrenzte Kirchenhoheit vom städti-
schen Rat ausgeübt, Nordsiek, Anfänge, S. 63-66, 87f.;
ders., Glaube und Politik, S. 49, 56, 62, 70; ders., Einfüh-
rung, S. 45, 47; ders., Vom Fürstbistum, S. 259. Zur
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tung, denn ebenso wie mit dem Vertrag von 1535 verpflichteten sich beide Seiten, Sorge dafür zu tragen,
dass ihre Priester und Prediger die Kanzelpolemik gegenüber der jeweils anderen Seite unterließen.85
6. Festlegung des evangelischen Bekenntnisstands im Fürstbistum 12. März 1583 (Text S. 154)
Franz von Waldeck, der von 1532 bis 1553 nicht nur Administrator des Bistums Minden, sondern auch
Bischof von Münster und Osnabrück war, hatte in den 1540er Jahren die Reformation im Bistum Osna-
brück eingeführt. Im Fürstbistum Minden waren unter dem Einfluss von Hermann Bonnus ebenfalls zahl-
reiche Kirchspiele evangelisch geworden.86
Der Mindener Bischof Hermann von Schaumburg, der aus einer evangelischen Familie stammte, bewies
auf dem Bischofsstuhl zwar Romtreue; nachdem er das Bistum 1582 an Heinrich Julius von Braunschweig-
Wolfenbüttel abgetreten hatte, zog er sich jedoch auf die Arensburg bei Bückeburg zurück und trat kurz
darauf in den Stand der Ehe.
Bischof Heinrich Julius87 schließlich zeigte auf dem Bischofsstuhl deutlich evangelische Tendenzen. In
seiner Konfessionspolitik orientierte er sich an der Linie des Kölner Erzbischofs Gebhard Truchsess von
Waldburg, der sich Ende 1582 öffentlich von Rom lossagte, zum Luthertum übertrat, die konfessionelle
Gewissensfreiheit in seinen Territorien zuließ und schließlich im Februar 1583 heiratete.88 In Anlehnung an
das Kölner Beispiel bestimmte Bischof Heinrich Julius von Minden in einem Erlass vom 12. März 1583,
dass sämtliche Pfarrer des Fürstbistums sich künftig auf die Confessio Augustana zu verpflichten hätten
und der landesherrlichen Regierung in Petershagen unterstellt seien. Somit wurden die 37 Pfarrkirchen des
Fürstbistums, von denen vier in den Städten Minden und Lübbecke und die übrigen auf den Dörfern lagen,
offiziell evangelisch. Die in der Stadt Minden lebende katholische Minderheit, die aus Domherren, Adeli-
gen, Mönchen und Stiftsherren bestand, konnte ihre Messen nur noch im Dom feiern.
Bischof Heinrich Julius verpflichtete die Geistlichen seines Territoriums zwar auf die Augsburger Kon-
fession, er organisierte das evangelische Kirchenwesen jedoch nicht mittels einer Kirchenordnung.89 Ver-
mutlich waren seit dem durch Franz’ von Waldeck in den 1540er Jahren angestrengten Reformationsver-
such vielerorts bereits Kirchenordnungen anderer Landesherren in Gebrauch. Dies belegen die Protokolle
der fürstbischöflichen Visitation zumindest für das Jahr 1650. Hiernach orientierte man sich mehrheitlich
an der Lüneburger Kirchenordnung von 1564, aber auch an der Mecklenburger von 1552, der Braun-
schweig-Wolfenbütteler von 1569, der Verdener von 1606 sowie der Schaumburger von 1615.90
Heinrich Julius’ Erlass von 1583 begründete die evangelische Landeskirche im Fürstbistum Minden, für
die schließlich ein evangelisch-lutherisches Landeskonsistorium gebildet wurde. Seit 1605 gab es einen evan-
gelischen Superintendenten, dem alle Pfarrer - mit Ausnahme der Städte Minden und Lübbecke, in denen
selbständige städtische Kirchenregimente bestanden - unterstellt waren.91
85 Zur Entstehung des Konflikts und zu den verschiedenen
strittigen Rechten siehe Rogge, Miteinander, S. 30-35.
Vgl. Bernstorf, Hermann, S. 90-93; Culemann, Ge-
schichte V, S. 61-67; Krieg, Einführung, S. 63; ders.,
Geschichte des Bistums, S. 61; Minden 1530, S. 66 Nr. 16.
Während Hermanns Pontifikat gab es mehrere kuriale
Rekatholisierungsversuche, die aber erfolglos blieben,
Roberg, Reformbemühungen, S. 675-694; Nordsiek,
Glaube und Politik, S. 51-53; Bernstorf, Hermann,
S.97-103.
86 Siehe oben, S. 113f.
87 Zu Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel
(1582-1585) siehe Aschoff, Heinrich Julius, S. 266-268;
Nordsiek, Einführung, S. 47; ders., Glaube und Politik,
S. 54; Olpp, Stellung, S. 40; Brandt/Hengst, Victrix
Mindensis ecclesia, S. 61f.; Schröer, Kirche in Westfa-
len 1, S. 65.
88 Nordsiek, Entstehung, S. 79; Goeters, Kirchenord-
nungen, S. 157; Kohl, Art. Waldburg, Gebhard Truchseß
von, in: BBKL 13 (1998), Sp. 189-191.
89 Wolgast, Einführung der Reformation, S. 242.
90 Nordsiek, Glaube und Politik, S. 56, 60; ders., Kirchen-
visitationsprotokolle.
91 Auch in Lübbecke, der zweitgrößten Stadt des Fürstbis-
tums, wurde die begrenzte Kirchenhoheit vom städti-
schen Rat ausgeübt, Nordsiek, Anfänge, S. 63-66, 87f.;
ders., Glaube und Politik, S. 49, 56, 62, 70; ders., Einfüh-
rung, S. 45, 47; ders., Vom Fürstbistum, S. 259. Zur
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