Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0179
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

Die treibende Kraft der Herforder Reformation war jedoch Dr. Johann Dreyer15 (um 1500-1544), einer
der letzten Konventualen des Augustinerklosters. Dreyer war Sohn eines Ratsherrn in Bega und Neffe des
Herforder Augustinerpriors und Ordensprovinzials Dr. Hermann Dreyer (1494-1524). Um 1524 bekannte
sich Johann Dreyer, der ebenfalls in Kontakt zu Martin Luther stand, zur neuen Lehre und begann,
evangelisch zu predigen.
Neben Dreyer hingen auch einige führende Persönlichkeiten in der Stadt früh der neuen Lehre an, unter
ihnen Heinrich Stakelbek und Johann von Gresten, zwei Stiftsherren an St. Johann und Dionys, sowie
Arnold Wulfert, der Bürgermeister der Neustadt. Während sich auch Johann von Rintelen, der zweite
Bürgermeister der Altstadt, zur neuen Lehre bekannte, blieb Wessel Hanebon, der erste Bürgermeister,
altgläubig. 1528/29 waren die Evangelischen unter den Herforder Ratsherren so zahlreich, dass ein neun-
köpfiges Gremium zur Einführung der Reformation eingesetzt wurde.16
Bereits Anfang 1530 galt Herford als lutherische Stadt, denn Johannes Bugenhagen schrieb am
25. Februar dieses Jahres an den Zwickauer Prediger Conrad Cordatus, dass neben Einbeck, Göttingen und
Minden auch Herford in diesem Winter die Reformation angenommen habe.17 Bugenhagen bezog sich mit
seiner Einschätzung vermutlich auf den Entschluss des Rats, weitere Neuerungen durchzusetzen, denn
evangelische Predigten wurden durch die Fraterherren und die Augustiner bereits vor 1530 gehalten und
evangelische Pfarrer wurden - teilweise unter Gewaltanwendung gegenüber den altgläubigen Amtsin-
habern - erst im Laufe der Jahre 1530 und 1531 installiert: In der Neustädter Stifts- und Pfarrkirche
St. Johann und Dionys übernahm der ehemalige Herforder Augustiner Johannes Blomberg am 15. August
das Predigtamt, in der Münsterkirche wurde 1531 Johann Dreyer als Pfarrer eingesetzt. Damit waren die
beiden Pfarrkirchen der Alt- und Neustadt in der Hand der evangelischen Gemeinde. Die katholische
Minderheit ging indessen in die Stifts- und Pfarrkirche St. Marien vor den Toren der Stadt, bis der dortige
Frauenkonvent 1547 ebenfalls zur evangelischen Lehre übertrat.18
Die Einführung der Reformation in Herford verlief nicht ohne Protest der Äbtissin, die sich am
1. Januar 1531 an Johann III. von Kleve als den Stiftsvogt wandte. Eine Antwort des Herzogs liegt nicht
vor. Stattdessen intervenierte der Erzbischof von Köln, der die Evangelischen unter Verweis auf den jüng-
sten Reichstagsabschied vom 18. November 1530 ermahnte, ihre Glaubensüberzeugung nicht mit Gewalt
durchzusetzen. Diese Warnung war jedoch vergebens, denn in Herford kam es - entweder noch 1531 oder
erst im folgenden Jahr - zu einer auch gewaltsam betriebenen Entfernung der Bildwerke aus den Kirchen
und zur Plünderung des Franziskanerklosters.19
15 Zu Johann Dreyer siehe Berns, Jürgen, Propter com-
munem utilitatem. Studien zur Bündnispolitik der west-
fälischen Städte im Spätmittelalter (StH 16), Düsseldorf
1991, S. 24-28; Stupperich, Dr. Johann Dreyer,
S. 25-40; ders., Eigenart, S. 132; ders., Bugenhagen und
Westfalen, S. 381f.; ders., Glaube und Politik, S. 102;
ders., Reformatorenlexikon, S. 70; Hölscher, Reforma-
tionsgeschichte, S. 19-21; Pape, Sancta Herfordia,
S. 166; Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 308;
Bauks, Pfarrer, Nr. 1340.
16 Schröer, Reformation 1, S. 317f.; Rügge, Herfords
Verhältnis, S. 75; Brandt/Hengst, Geschichte 2, S. 30;
Stupperich, Eigenart, S. 130.
17 Vogt, Bugenhagens Briefwechsel, S. 91f. Nr. 36: „Hac
una hieme ... hae civitates apud Saxones susceperunt
sincerum Evangelium: ... Quarto in Westphalia civitas
Herfordia, ubi hactenus ita praedicatum est Evangelium,
ut praedicatores omni hora nihil aliud sperarent propter
Christum, quam enectionem; quando intellexit, Doctorem

[= Johann Dreyer] quendam praedicatorem velle se dese-
rere, convocat senatum hactenus verbi adversarium, et
coit ipsa tota in concordiam pro Evangelio sancto“. Vgl.
Pape, Sancta Herfordia, S. 168f., 171; Stupperich,
Eigenart, S. 135; Hölscher, Reformationsgeschichte,
S. 25.
18 Klöckener/Kranemann, Gottesdienst, S. 247; Co-
hausz, Anmerkungen, S. 208f.; ders., Herford, S. 82; von
Fürstenberg, Ordinaria loci, S. 101; Richter, Her-
ford, S. 17f.; Korte, Staatsrechtliche Stellung, S. 61;
Hölscher, Reformationsgeschichte, S. 23f. Aus dem
Damenstift St. Marien auf dem Berge ist eine evangeli-
sche Offiziumsordnung vom Ende des 16. Jahrhunderts
überliefert, Abdruck in Klöckener/Kranemann, Got-
tesdienst, S. 252-255.
19 Siehe die Dokumente bei Cohausz, Anmerkungen,
S. 212-221. Vgl. Schröer, Reformation 1, S. 320;
Brandt/Hengst, Geschichte 2, S. 30; Rohmann, Bil-
derstreit, S. 9; Pape, Sancta Herfordia, S. 171f.; Höl-

161
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften