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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0249
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Einleitung

modus vivendi für das Simultaneum an der Peterskirche: Den Protestanten wurde die überwiegende Nut-
zung des Gotteshauses, den Stiftsherren lediglich die Feier von drei bis vier Tagzeiten in der Woche zuge-
standen. Messen durften in dieser Kirche überhaupt nicht mehr gefeiert werden, hierfür mussten die Alt-
gläubigen in die Corveyer Klosterkirche ausweichen. Der Vertrag zeigt die schwache Position, die der
Fürstabt von Corvey in seiner Munizipalstadt Höxter hatte, und die Stärke der Gemeinde, die die evan-
gelischen Schutzherren der Stadt hinter sich wusste.11
Johann Winnistede, der Prediger an St. Kilian, bemühte sich 1537 um eine Kirchenordnung für die
Stadt. Er fertigte einen - nicht überlieferten - Entwurf an, den er dem Magistrat übergeben wollte. Der Rat
nahm diesen jedoch nicht an, sondern betonte, eine Kirchenordnung sei nicht notwendig, da Unstimmig-
keiten bei den kirchlichen Zeremonien mit Hilfe hessischer Theologen geklärt werden könnten.12 An Ostern
1538 verließ Winnistede die Stadt. Er ging zunächst nach Goslar und war seit 1540 Pfarrer an St. Blasius in
Quedlinburg.13
Nach der Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg 1546 wurde gegenüber dem Reichs-
stift Corvey die Formula reformationis angewendet, wohingegen die Stadt Höxter, die dem Schmalkaldi-
schen Bund nicht zuletzt durch ihren Schutzherrn Philipp von Hessen nahestand, das Interim annehmen
musste. Am 31. März 1550 schlossen das Stiftskapitel von St. Peter und die Stadt Höxter einen Vergleich, in
dem sie den Vertrag von 1536 (Nr. 2) außer Kraft setzten und die ursprünglichen Nutzungsrechte an der
Stiftskirche wieder herstellten.14 Nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 gelangte die evangelische
Gemeinde jedoch wieder in den Besitz sämtlicher Pfarrkirchen der Stadt. Zudem fiel dem Magistrat in
diesem Jahr auch die Kirche des Minoritenklosters zu.15

3. Die Reformation im Corveyer Stiftsdorf Bruchhausen 1603
Obwohl die Stadt Höxter in den folgenden Jahrhunderten ihren unabhängigen Status bewaren konnte und
dauerhaft evangelisch blieb, unterstand sie rechtlich bis 1803 uneingeschränkt der Reichsabtei Corvey.
Höxter war - ebenso wie Minden, Herford und Soest - jedoch nicht nur eine der westfälischen Landstädte,
die sich de facto von ihren Stadtherren emanzipiert und die Reformation eingeführt hatte, sondern von
Höxter aus verbreitete sich die evangelische Lehre auch im Corveyer Stiftsgebiet.

11 Schröer, Reformation 2, S. 247f.; Löffler, Reforma-
tionsgeschichte Höxter, S. 256f.; Schumacher, Ge-
schichte, S. 9f.; Leesch, Höxter - Kollegiatstift St.
Peter, S. 453; Kampschulte, Historische Bemerkungen,
S. 27.
12 Löffler, Reformationsgeschichte Höxter, S. 260 zitiert
aus der Antwort des Rats an Winnistede vom 16. Dezem-
ber 1537: „thom anderen, alße myt der ordinantien des
Evangelii, wo by uns ghehalden werdt, hebben wy keynen
mangell, hefft ock de obgedachte Mester Johannes Fon-
tius de ghesehin unde ghehortt unde moghen wall erliden,
so mangell offte gebreck in den ceremonien offte kercken
deinsten were, dat de selbygen ghebreken unse predican-
ten na Raide E. f. g. Theologen offte anderer Ghelarden

betterden“. Vgl. Stupperich, Winnistede, S. 369-371;
Schröer, Reformation 2, S. 248.
13 Bauermann, Reformationsgeschichte, S. 43 Anm. 38.
14 StadtA Höxter, Perg. Urk. Nr. 128; Auszug aus dem Ver-
trag bei Löffler, Reformationsgeschichte Höxter,
S. 263f. Vgl. Benkert, Vorgeschichte, S. 27f.; Schuma-
cher, Geschichte, S. 11 f.; Schröer, Reformation 2,
S. 252; Leesch, Höxter - Kollegiatstift St. Peter, S. 453.
15 Der Minoritenkonvent hatte bereits am 14. September
1542 seine Güter der Stadt verkauft (StadtA Höxter,
Perg. Urk. Nr. 127), die Klostergebäude jedoch bis zu sei-
nem Wegzug 1555 behalten können, Leesch, Höxter -
Minoriten, S. 459; Schröer, Reformation 2, S. 247, 250,
255; Löffler, Reformationsgeschichte Höxter, S. 261,
264; Küch, Politisches Archiv 2, S. 405.

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