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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0251
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Einleitung

Reichskammergericht beigelegt werden.24 Die Kirchenordnung, die Clara von Canstein ein Jahr nach
Erscheinen der Paderborner Agende veröffentlichte und die im engeren Sinne ebenfalls eine Gottesdienst-
ordnung darstellt, dokumentiert somit auch das Bekenntnis des evangelischen Adels gegenüber dem Pader-
borner Bischof.
Die Ordnung regelt sämtliche Zeremonien der Gottesdienste während der Woche, an Sonn-, Fest- und
Feiertagen, ferner behandelt sie Katechismusunterricht, Bettage, Taufe und Nottaufe, Konfirmation,
Abendmahl, Eheeinsegnung, Krankenbesuch und Begräbnis. Abschließend werden Amtseinführung der
Pfarrer, Buße und Absolution sowie Maßgaben für Amts- und Lebensfiihrung der Kirchen- und Schuldiener
beschrieben.25
Ein Verfasser der Bruchhauser Kirchenordnung ist nicht bekannt. In der Vorrede heißt es, dass Clara
von Canstein sie „mit Rath und zuthun ihrer Herrn Freunde ... auß andern reinen, nützlichen und wolbe-
stelten Kirchen ordenungen zusammen getragen“ habe. Als Vorlage diente die Nassau-Weilburger Kirchen-
ordnung von 1574/1576, und zwar insbesondere deren zweiter Teil: „Agenda, Das ist Kirchenord-
nung...“.26 Die Nassau-Weilburger Ordnung geht ihrerseits auf die Pfalz-Zweibrücker Kirchenordnung von
1557 und die hessische Agende von 1574 zurück,27 so dass sich in dem Bruchhauser Regelwerk letztlich auch
der Einfluss dieser Ordnungen findet.28
Die Reihenfolge der Kapitel entspricht derjenigen der Nassauer Vorlage, viele Passagen sind übernom-
men, wobei jedoch immer wieder Details verändert wurden. Abweichungen von der Vorlage finden sich im
Kapitel „Form zu tauffen“, das an die hessische Agende von 1574 angelehnt ist.29 Die Vorrede wurde
vollkommen eigenständig formuliert. Gegenüber dem sehr umfangreichen Nassauer Vorbild wurden viele
Kapitel stark gekürzt, wie etwa die Gebete für die Bettage, die im Bruchhauser Text nicht ausgeführt sind.
Es fehlen auch die in der Nassauer Ordnung enthaltenen Abschnitte „Von besuchung, erinnerung und trost
der Gefangenen“, „Forma der Ordination eines Pfarrherrn oder Kirchendieners“ sowie „Was die Superin-
tendenten in ihren ordentlichen Visitationibus fürnemen und verrichten sollen“. Diese Kapitel waren nicht
erforderlich bzw. entbehrten der rechtlichen Grundlage, da in einer einzelnen Patronatspfarrei wie Bruch-
hausen keine kirchenleitenden Organisationsstrukturen bestanden.
Die beiden Schlusskapitel „Das die Unterthanen fleissig in die Predigt und zur lehre des Catechismi zu
gehen vermahnet ... werden sollen“ und „Wie sich die Lehrer und Prediger ... verhalten sollen“ wurden
ihrem Inhalt nach dem ersten Teil der Nassauer Kirchenordnung30 entnommen, jedoch eigenständig for-
muliert.

24 Kühn, Religionsprozesse, S. 120f.; Hufschmidt, Starke
Frauen, S. 354f.; dies., Adlige Frauen, S. 224; Brandt/
Hengst, Geschichte 2, S. 204, 339.
25 Zum Inhalt siehe auch Rahe, Kirchenordnung, S. 281-
296.
26 Sehling, EKO X, S. 226-319.
27 Abdruck in Sehling, EKO XVIII, S. 71-259. Siehe auch
die detaillierten Nachweise in Sehling, EKO X, S. 47f.
28 Rahe, Kirchenordnung, S. 286-295 macht - ohne Kennt-
nis der Nassau-Weilburger Kirchenordnung - folgende
Einflüsse geltend: Der Abschnitt „Vom Katechismo oder
Kinderlehr“ erscheint ähnlich auch in der Calenberg-
Göttinger Kirchenordnung von 1542 (S. 286). Die Tauf-
handlung folgt der hessischen Ordnung von 1574 (S. 288),

wohingegen die der Nottaufe derjenigen Herzog Heinrichs
von Sachsen von 1539 folgt (S. 289). Bei den Ausführun-
gen zur Konfirmation nimmt Rahe an, dass die Calen-
berg-Göttinger Kirchenordnung und die „Wittenberger
Reformation“ von 1545 Einfluss hatten (S. 289). Das
Katechismusexamen basiert auf der Kirchenordnung für
die Stadt Kassel von 1539 (S. 290). Beim Begräbnis ist
das Gebet nach der Predigt an das in der hessischen Kir-
chenordnung von 1566 angelehnt (S. 294). Die Amtsein-
führung der Pfarrer folgt in einigen Punkten der hessi-
schen Kirchenordnung von 1574 (S. 295).
29 Sehling, EKO VIII, S. 424-428.
30 Sehling, EKO X, S. 208-225.

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