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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0292
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Corvey

gemeine Gottes beleidiget und geergert und vieler
frommer, Gottseliger Hertzen betrübt, so sey billig
und gebürlich, daß die Christliche gemeine auch of-
fentlich versöhnet und zu frieden gestelt und für
derselbigen die innigliche |L2r| rew der begangenen
ubertrettung, andern zur abschew, offentlich be-
zeugt werde. Da nun die Person diese freundtliche
erinnerung und bericht zu gemüte ziehen und sich
erkennen, auch das ihr zu befriedigung und versi-
cherung ihres verunreweten121 gewissens geraten
und gehulffen werden müchte, mit demütigem hert-
zen bitten würde, hat man mit der poenitentz auffs
freundlichste fortzufahren.
Im fahl aber, gedachte Person tergiversi-
ren122, ihre begangene Sünde schmücken und ver-
thetigen, sich auch nicht, das ihr die offentliche Poe-
nitentz nütz oder nötig, bereden lassen noch willig
sich darin begeben wolte, soll man nachmals sie mit
ernst erinnern und vermanen, wie schwerlich sie sich
an Gott und seiner Kirchen in diesem oder dem fahl
vergriffen habe, das die offentliche Buß ihr, dersel-
bigen Person, gar nicht zur schmag und verachtung,
sondern viel mehr zu gutem und wahrhafftiger
sterckung des glaubens, auch versicherung ihres Ge-
wissens und bezeugung ihrer warhafftigen rew und
schüldigen gehorsams gegen der Kirchen und ge-
meine Gottes gemeinet sey, mit fleissiger, treuwer
einbildung, in was gefahr ihrer Seelen sie stehen, die-
weil sie sich selbs mit mißhandelung von der gemei-
nen versamlung der Christgleubigen außgeschlossen
habe und, da sie in solcher unbußfertigkeit beharren
und sich mit Gott und seiner gemeine nicht versüh-
nen lassen würde, köndt man sie nicht allein zum
gebrauch der heiligen Sacrament und andern Christ-
lichen Actionibus nicht zulassen, Sondern müste
auch in der gefahr stehen, daß sie, auff den fahl, sie
mit dem Todte ubereylet würde, Also von Gott und
allen rechten Christen außgeschlossen sein und blei-
ben und mit ihrer halßstarrigkeit und widersetzung
noch immerzu je lenger, je mehr außschliessen wür-
de. Damit sie auch so viel desto williger und bereiter
sey, sich zur offentlichen poenitentz zubegeben, soll
121 Beunruhigten, beschwerten, Grimm, DWb 25,
Sp. 2039f.
122 Ausflüchte finden.

man ihr mit fleiß fürhalten und einbilden, die ex-
empla grosser Könige und Keyser, die man in der
Kirchen Historien beyde, des alten und newen Te-
staments, findet, das sie ire Busse auch offentlich
bey den ihren |L2v| und anderen Leuten, bißweilen
auch für der gantzen Gemeine zubeweisen und zu-
bezeugen sich nicht geschemet haben, Als Davids,
2. Samu. 12 [1-25], Achab, 1. Reg. 21 [27-29], Jo-
ram, 2. Reg. 6 [30], Hiskiae, 2. Reg. 19 [1-34], Ma-
nasse, 2. Chroni. 33 [12-17], Theodosius apud Theo-
doretum lib. 4., cap. 17 et 18123 und andere derglei-
chen mehr.
Wann dann hiedurch die gefallene Person sich noch
nicht bewegen lassen wil, kan man zur Absolution
nicht kommen, soll ihr derwegen vier Wochen be-
denckzeit gegeben und sie unter dessen fleissig zur
Kirchen zu gehen und Gottes wort mit gebürender
attention und auffmerckung zu hören vermahnet
werden.
Zu außganck der vier Wochen sollen Pfarher und
Seniores vielgedachte Personen widerumb fürneh-
men und mit ihr handelen, wie itzo vermeldet ist,
und soll neben gebürlichem ernst gegen ein solche
halstarrige Person auch dermaßen freundtligkeit
und gelimpff124 gebrauchet werden, daß sie selbs er-
kennen und bezeugen müsse, daß anders nichtes
dann ihrer Seelen heyl und wolfahrt gesuchet werde,
und dieses soll mit einer widerspenstigen Person
zum ersten, andern und drittenmahl geschehen, und
da sie sich endtlich begiebet und weisen lesset, hat
man sie gewonnen, und soll zum forderlichsten zur
Absolution geschritten werden. Da aber diese zum
drittenmahl gehabte mühe unfruchtbar sein wolt,
soll es der Pfarher der Obrigkeit anzeigen und von
ihr, was weiter fürzunehmen sey, bescheides erwar-
ten.
Wann sich nun die Person, deren die offentliche Poe-
nitentz gutwillig finden lesset und erkent, auß ange-
hörter erinnerung einen demütigen Fußfahl zu thun
und, damit sie warhafftige Absolution bekomme,
123 Theodoretus, Hist. eccl. 5, 17 und 18, PG 82, Sp. 1232ff.
(cap. 17); GCS 19, 30, Sp. 7ff. (cap. 18).
124 Anstand, Grimm, DWb 8, Sp. 102f.

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