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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2005
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 12. November 2005
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Batyrev, Victor: Geometrische und topologische Aspekte der Mirror-Symmetrie in der theoretischen Physik und in der Mathematik
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0086
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12. November 2005 | 99

WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
Herr Victor Batyrev hält einen Vortrag: „Geometrische und topologische Aspekte
der Mirror-Symmetrie in der theoretischen Physik und in der Mathematik“.
Seit 1984 behauptet die Stringtheorie (bzw. Superstringtheorie) in der theoretischen
Physik, dass unser Universum noch mehr Dimensionen besitzt als das Auge sieht.
Dieses physikalische Model beschreibt das Universum als 10-dimensionale Raum-
zeit, die zusammen mit der klassischen relativistischen 4-dimensionalen Raumzeit
noch sechs zusätzliche aufgewickelte Dimensionen besitzt. Die theoretischen Phy-
siker Philip Candelas, Gary Gorowitz, Andrew Strominger und EdwardWitten haben
entdeckt, dass die oben genannten sechs aufgewickelten Dimensionen des Univer-
sums durch eine spezielle Klasse von kompakten 6-dimensionalen geometrischen
Formen realisiert werden müssen. Diese geometrische Klasse bezeichnen Mathema-
tiker als komplexe 3-dimensionale Calabi-Yau-Räume oder als Calabi-Yau-Man-
nigfaltigkeiten [CHSW85].
Eine d-dimensionale komplexe projektive algebraische Mannigfaltigkeit X
heißt Calabi-Yau-Mannigfaltigkeit, wenn es auf X eine globale holomorphe d-
Form gibt, die nirgendwo verschwindet. Nach dem berühmten Satz vonYau besitzt
X eine Ricci-flache Kähler-Metrik. Ist X eine 1-dimensionale Calabi-Mannigfal-
tigkeit (oder eine elliptische Kurve), so ist X zu einem reellen 2-dimensionalen Torus
topologisch äquivalent. Ist X eine 2-dimensionale Calabi-Yau-Mannigfaltigkeit
(oder sog. K3-Fläche), so ist auch die Topologie vom 4-dimensionalen reellen
Raum X eindeutig bestimmt. Bei der für Physiker interessantesten 3-dimensionalen
Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten X ist die Topologie des 6-dimensionalen reellen
Raums X nicht mehr eindeutig bestimmt. Als Mathematiker vermute ich, dass es
unendlich viele verschiedene topologische Typen 3-dimensionaler Calabi-Yau-Man-
nigfaltigkeiten gibt. Diese Vermutung ist aber em sehr schwieriges offenes mathema-
tisches Problem.
Theoretische Physiker haben für Calabi-Yau-Räume eine erstaunliche Sym-
metrie entdeckt, die Mirror-Symmetrie heißt. Zwei Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten
X undY heißen mirror-symmetrisch zueinander, wenn die entsprechenden N=2
superkonformen Feldtheorien gleich sind [GP90]. Mit Hilfe von Mirror-Symmetrie
lassen sich Gromov-Witten-Invarianten von X durch Perioden von Y berechnen
[CdGP91], In der Geometrie gibt es einen einfachen topologischen Test für Mirror-
Symmetrie, die durch die Eulersche-Charakteristik als Gleichung e(X) = -e(Y) dar-
stellbar ist. Es ist mir gelungen, die Mirror-Symmetrie mathematisch mit Hilfe von
Polardualität für eine Klasse spezieller 4-dimensionaler konvexer Polytopen zu
erklären [B94]. Diese Klasse besteht aus sog. reflexiven Polytopen. Zwei theoretische
Physiker, Maximilian Kreuzer und Harald Skarke, haben mit einem Computer-Pro-
gramm alle 473800776 reflexiven 4-dimensionalen Polytope gefunden [KS00].
Dadurch entsteht eine große Liste von 3-dimensionalen Calabi-Yau-Mannifaltigkei-
ten, die verschiedene topologische Eigenschaften besitzen.
 
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