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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2005
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Antrittsreden
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Schleich, Wolfgang: Antrittsrede vom 16. Juli 2005
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0124
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Wolfgang P. Schleich | 137

ersten Semester an der Ludwig-Maximilians-Universität. Ich spielte in zahllosen
Orchestern, komponierte weiter und dirigierte. Dies änderte sich schlagartig, als ich
im 3. Semester bei Prof. Georg Süßmann die Vorlesung Theoretische Mechanik
hörte. Zum einem stellte ich fest, dass eine Entscheidung zwischen Musik und Stu-
dium getroffen werden musste. Zum anderen wurde plötzlich durch diese Vorlesung
mein Interesse für theoretische Physik geweckt. Zum ersten Mal sah ich, dass die
Physik ein sehr logisches Gebäude ist, in dem man sich nur relativ wenige Grund-
formeln merken muss. Alles andere kann daraus in wenigen Schritten abgeleitet wer-
den. Darüber hinaus konnte Prof. Süßmann wie kaum ein anderer Kollege Zusam-
menhänge zwischen verschiedensten Themen der Physik aufzeigen. So entschied ich
mit derselben Intensität, mit der ich früher die Musik verfolgt hatte, jetzt die theo-
retische Physik zu studieren. Innerhalb weniger Semester hatte ich alle notwendigen
Scheine, die mich zur Diplomarbeit zulassen würden, erworben und sah mich jetzt
nach einem geeigneten Betreuer und Thema um.
Mehrere Professoren machten mir Vorschläge für eine Diplomarbeit, auch Prof.
Süßmann. Dennoch fiel meine Wahl auf einen anderen Kollegen. Eine Kommilito-
nin machte mich auf Prof. Herbert Walther aufmerksam. Dieser war gerade aus Köln
an die Ludwig-Maximilians-Universität berufen worden und baute dort sehr dyna-
misch und begeisternd einen neuen Lehrstuhl im Bereich der Laserphysik auf.
Zugleich war er Gründungsdirektor einer Projektgruppe für Laserforschung bei der
Max-Planck-Gesellschaft. Obwohl selbst Experimentalphysiker, war er dennoch
bereit, mich als Theoretiker in seine Arbeitsgruppe aufzunehmen. Mehr noch, er
stellte mich Prof. Marian O. Scully vor, einem Humboldt-Forschungspreisträger, der
aus Amerika bei ihm weilte, und bat ihn, mich unter seine Fittiche zu nehmen.
Professor Scully hatte bei dem Nobelpreisträger Willis E. Lamb über die Quanten-
theorie des Lasers promoviert und gilt als einer der Pioniere der theoretischen
Quantenoptik. Es war daher für mich eine enorme Ehre und Herausforderung, bei
ihm Diplomarbeit schreiben zu dürfen. Gemeinsam untersuchten wir die Quanten-
fluktuationen in Ringlaser-Gyroskopen, die zur Navigation in Flugzeugen verwen-
det werden. Mit einem Stipendium der Max-Planck-Gesellschaft konnte ich dann
meine Dissertation ebenfalls bei Prof. Scully über „Optische Tests der Allgemeinen
Relativitätstheorie“ anfertigen. Auch hier gebührt Prof. Walther mein Dank. Er hat
es nämlich ermöglicht, dass ich für em Jahr in Albuquerque, New Mexico an der
dortigen Universität, wohin Prof. Scully inzwischen zurückgekehrt war, arbeiten
konnte.
Professor Scully ist nicht nur ein weltweit führender theoretischer Physiker,
sondern hatte auch noch ein Interesse an der Landwirtschaft. Er stammt aus Casper,
Wyoming und hatte in Estancia, einem Ort etwa 80 km südöstlich von Albuquerque
eine große Ranch, auf der, wie er selbst sagte „1000 Kühe leben und lieben“.
Während vieler Wochenenden mit ihm auf dieser Ranch forschten wir intensiv an
unseren Physikproblemen, immer wieder unterbrochen durch weniger theoretische
Arbeiten wie das Bauen von Umzäunungen für die Rinder, das Ausgraben von Was-
serleitungen in der Neumexikanischen Wüste oder das Umgraben von Kuhmist. Für
mich als Student einer deutschen Universität mit distinguierten Lehrstuhlinhabern
 
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