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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Das WIN-Kolleg
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1. Forschungsschwerpunkt "Gehirn und Geist: Physische und psychische Funktionen des Gehirns"
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0235
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248 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

Motivierte Aufmerksamkeit beim Hören
Zum Schutz vor Überflutung unseres zentralen Nervensystems mit irrelevanten
Reizen verfugt unser Gehirn über Mechanismen, unbedeutende Stimuli - wie das
Geräusch des Computers am Arbeitsplatz - auf frühester Stufe zu unterdrücken.
Umgekehrt wird die nervöse Verarbeitung bedeutsamer Reize, wie ein zähneflet-
schender Hund, sehr früh verstärkt. Allerdings ist die emotionale Bedeutung der mei-
sten Reize nicht angeboren, sondern wurde im Verlauf des Lebens durch Konditio-
nierung erlernt: em zähnefletschender Hund ist bedeutend, da er mich kurze Zeit
später gebissen hat oder ich jemanden beobachtet habe, der daraufhin gebissen
wurde.
Der Mensch ist sogar in der Lage, eigentlich neutralen Reizen eine Bedeu-
tung beizumessen, wodurch dieser Reiz eine verstärkte Verarbeitung erfährt — die
Suche des eigenen Mantels in einer überfüllten Garderobe. In der visuellen Moda-
lität wurden solche mit der so genannten gerichteten (volitionalen) oder motivier-
ten (emotionalen) Aufmerksamkeit auftretenden Gehirnströme mittels Magneto-
sowie Elektroenzephalographie (MEG/EEG) recht intensiv untersucht und wiesen
auf ähnliche zugrunde liegende neuronale Aufmerksamkeitsnetzwerke hin. In ande-
ren Modalitäten, wie beim Hören oder Fühlen, konnten solche Mechanismen
bisher erst bei gerichteter Aufmerksamkeit nachgewiesen werden. Der Nachweis
automatischer emotionaler Aufmerksamkeit ist für diese Sinne ungleich schwieriger,
da sich die emotionale Qualität von Geräuschen (Hundeknurren) oder Berührun-
gen (Streicheln) erst durch Integration über längere Zeiten - für MEG/EEG Unter-
suchungen ist eine halbe Sekunde sehr lang — erschließt.
In einer MEG Studie konnten wir diese Problematik mittels klassischer Kon-
ditionierung kurzer neutraler Töne umgehen. Dabei wurde ein bestimmter kurzer
Ton wiederholt mit unangenehmen Umweltgeräuschen (wie Schmerzschreie)
gepaart und ihm dadurch Bedeutung zugewiesen. Ein anderer Ton wurde mit ange-
nehmen (wie Lachen) und ein dritter mit neutralen Geräuschen (wie Bürogeräu-
sche) konditioniert. Tatsächlich konnten wir mit dieser Studie nachweisen, dass die-
jenigen Töne, welche als emotional bedeutsam erlernt worden sind, eine verstärkte
Verarbeitung gegenüber jenen erfuhren, die als unbedeutend erkannt wurden. Dar-
über hinaus konnten wir zeigen, dass die Differenzen der Gehirnströme bei der Ver-
arbeitung emotionaler gegenüber neutralen Reizen mit den Hirnstromdifferenzen
beim Vergleich von beachteten und nicht beachteten Tönen (volitionale Aufmerk-
samkeit) übereinstimmen. Interessanterweise scheinen die Strukturen, welche über
die Bedeutsamkeit der Reize zu entscheiden haben, im Frontalkortex zu liegen.
Damit sind Areale aktiv, die bei einer Reihe von emotionalen Störungen oder
Störungen der Aufmerksamkeit vom Normalen abweichende Aktivierungen auf-
weisen.
In einer Folgestudie soll nun untersucht werden, ob Patienten, die als Folge
eines Traumas (Unfall, Vergewaltigung, Folter, etc.) an einer so genannten posttrau-
matischen Belastungsstörung und damit einer krankhaften Veränderung ihrer
emotionalen Aufmerksamkeitsnetzwerke leiden, krankhaft verstärkt auf solche Töne
reagieren, die mit aversiven Geräuschen konditioniert wurden.
 
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