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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Das WIN-Kolleg
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2. Forschungsschwerpunkt "Kulturelle Grundlagen der Europäischen Einigung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0256
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Das WIN-Kolleg | 269

den Gewicht der Völker als legitimatorischer Ressource der Politik. Der Politisierung
der Bevölkerung zum Volk korrespondiert eine Erweiterung des Fokus der Öffent-
lichkeit, die national dimensionierte Kollektive — über den Eliten-Diskurs hinaus —
allererst vorstellbar macht. Dank der vielfach angeführten Mode und der modernen
Verkehrs- und Nachrichtentechniken werden zunächst regionale Unterschiede
überformt, schließlich nationale Eigentümlichkeiten nivelliert und in Reaktion
darauf programmatisch kultiviert. An und mit Nietzsche, dessen idiosynkratische
Empfindlichkeit gegenüber jeder, insbesondere aber deutschen Anmaßung ihn zum
Beobachter der letzen Phase des 19. Jahrhunderts disponiert, lässt sich sehen, welche
Aufgaben die Intellektuellen dabei übernehmen. Sie sind es, die beide Tendenzen,
Nationalisierung wie Europäisierung, publizistisch ‘veredeln’, bald schon kritisieren,
aber auch radikalisieren und schließlich miteinander vermitteln.
Ausgehend von dieser Koevolution der politischen Konzepte Nation und
Europa sahen wir in der Ausschreibung zu unserer Konferenz „die Evolution eines
zunehmend exklusiven Nationalismus auf völkischer Basis auch heute noch keines-
wegs vollständig bewältigt.“ Vielmehr gilt durchaus noch immer, — so unsere Einla-
dung vom Frühjahr 2004 —, dass „auch in den Kernländern der europäischen Eini-
gung, in Frankreich und Deutschland, [...] der nationale Appell höchste Resonanz
garantiert. Zwar mag er sich zur gesellschaftlichen Integration immer weniger eig-
nen, die Ausgrenzung derer, die als Konkurrenten im Verteilungskampf überhaupt
zugelassen sind, verspricht er noch immer.“
Die Vorarbeiten für die Konferenz und die Konferenz selbst fanden wohlge-
merkt vor den französischen und niederländischen Volksbefragungen zum „Vertrag
über eine Verfassung für Europa“ statt, zu einem Zeitpunkt, als in beiden Ländern
Meinungsumfragen zufolge die Befürworter des Vertrags noch mit einer klaren
Mehrheit rechnen konnten. Die Ablehnung des Verfassungsvertrags am 29. Mai in
Frankreich und am 01. Juni 2005 in den Niederlanden verschafft unserem Tagungs-
band eine ungeahnte Aktualität und vermittelt gleichzeitig die Virulenz des Themas.
Die Tagung stand also vor der Aufgabe, Nationalisierung und Europäisierung
intellektueller Kommunikationen synchron wie diachron zu analysieren und die
Perspektiven der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen ineinander zu spiegeln. Das
Ergebnis waren zwei Tage lebhafter Diskussion, deren fächerübergreifende Kollegia-
lität das Wagnis der interdisziplinären Konzeption mehr als belohnte. Im Mittelpunkt
standen dabei Beiträge, die sich an den kommunikativen Ressourcen und sozialen
Reichweiten intellektueller Programme und historischer Verständigungsprozesse ori-
entierten. Den Auftakt machte jedoch ein Beitrag, der aus der Sicht der historischen
vergleichenden Wahlforschung zu Aussagen über die Entstehung national einheitli-
cher Parteiensysteme kam und damit die empirische Grundlage unseres Ansatzes
bereitstellte. Daniele Caramani zeigte, dass schon ganz zu Beginn des demokratischen
Wettbewerbs in Wahlen ein rapider Prozess der Ausdehnung und Vereinheitlichung
zunächst regional und territorial verorteter Konflikte auf die nationale Ebene und in
das nationale System steht. Damit einher geht die zunehmende Umwandlung dieser
regionalen Spaltungsstrukturen in landesweite funktionale Spaltungsstrukturen mit
der alles dominierenden Rechts-Links-Dimension des politischen Konflikts. Aber
 
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