14. Juni 2008
33
denen im Besonderen zu danken, ohne die es eben doch nicht gegangen wäre, dem
Vorstand der Akademie, Herrn Hahn an erster Stelle, und der Geschäftstelle.
„Bononia vetustissima musarum sedes omniumque artium et scientiarum vera
mater“ — so steht es über den alten Stichen von Bologna. Dass wir inzwischen nur
noch an etwas ganz anderes denken, wenn der Name Bologna fällt, ist traurig. Scien-
tiarum vera mater — die Anfänge des weltverändernden europäischen Unternehmens
Wissenschaft sind natürlich viel älter. Aber Bologna ist einer von zwei Orten, an
denen die wichtigste institutionelle Gestalt für dieses Unternehmen sich zuerst her-
ausgebildet hat — die Universität. In Bologna war es das Studium des Rechtes, des
römischen wie des kanonischen, aus dem die Universität hervorwuchs. Die prächti-
gen Glossatorengräber, die jedem Besucher ins Auge fallen, bezeugen es. Wie sie
übrigens auch bezeugen, dass die Entstehung der Wissenschaft mit der akademischen
Lehre eng zusammenhängt. Die Akademien sind erst viel später hinzugetreten — in
Italien vom 16., bei uns vom 17. Jahrhundert an. Die Frage, wozu wir sie eigentlich
brauchen, etwas anders formuliert, was ihr Potential in der institutionellen Vielge-
staltigkeit, in der Wissenschaft sich organisiert, eigentlich sei, drängt sich einem Aka-
demiepräsidenten, der ein paar Monate lang in den Straßen dieser ältesten Univer-
sitätsstadt seiner Wege geht, auf.
Das ist kein Thema für eine Begrüßung. Aber diesen einen Gedanken erlauben
Sie mir doch bitte: Die Wissenschaft ist eine prometheische Gabe Europas an die
Welt, überlebenswichtig, aber auch Abgründe öffnend. Daraus folgt für mich, dass die
Wissenschaft in anderem Maße, als sie das bisher getan hat, die Fähigkeit und Bereit-
schaft zur Selbstreflexion entwickeln muss. Akademien könnten ein geeigneter Ort
dafür sein.
Seit der Wissenschaftsrat vor vier Jahren sich dazu hat vernehmen lassen, ist viel
von einer ganz anderen möglichen Aufgabe der Akademien die Rede — der der wis-
senschaftlichen Beratung der Politik. Für die brauche Deutschland eine Nationala-
kademie, so hat der Wissenschaftsrat es 2004 postuliert. Seitdem habe ich auf jeder
Jahresfeier Anlass gehabt, einige Sätze zu diesem Thema zu sagen. Es hat mich auch
nach Bologna verfolgt. Es ist das einzige Thema des Jahresberichtes, das ich nicht
Herrn Hahn überlassen kann, weil ich mich wohl hier in Heidelberg, nicht aber in
meinem Amt als Vertreter des Präsidenten der Union vom ihm vertreten lassen konn-
te. Ihm ist in dieser Arbeitsteilung das bessere Los zugefallen.
Die Akademienlandschaft in Deutschland hat sich im letzten Jahr bedeutsam
verändert. Im Oktober 2007 wurde in Berlin die Deutsche Akademie für Technik-
wissenschaften gegründet. Wir haben diese Gründung nach anfänglicher Unsicher-
heit entschlossen unterstützt und freuen uns auf die Zusammenarbeit. Im Februar
einigten sich Bund und Länder in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz darauf,
die Leopoldina zur Nationalakademie zu erheben, ihr aber in dieser Eigenschaft eine
Art Kooperationsrat zuzuordnen, in dem neben der Leopoldina die Union und die
Deutsche Akademie für Technikwissenschaften vertreten sind. Das war nicht die
Lösung, die die Akademien gemeinsam vorgeschlagen hatten. Ob es eine gute
Lösung sein wird, werden wir in ein paar Jahren wissen. Wir beglückwünschen die
Leopoldina zu der Standeserhöhung, die in wenigen Wochen förmlich vollzogen
33
denen im Besonderen zu danken, ohne die es eben doch nicht gegangen wäre, dem
Vorstand der Akademie, Herrn Hahn an erster Stelle, und der Geschäftstelle.
„Bononia vetustissima musarum sedes omniumque artium et scientiarum vera
mater“ — so steht es über den alten Stichen von Bologna. Dass wir inzwischen nur
noch an etwas ganz anderes denken, wenn der Name Bologna fällt, ist traurig. Scien-
tiarum vera mater — die Anfänge des weltverändernden europäischen Unternehmens
Wissenschaft sind natürlich viel älter. Aber Bologna ist einer von zwei Orten, an
denen die wichtigste institutionelle Gestalt für dieses Unternehmen sich zuerst her-
ausgebildet hat — die Universität. In Bologna war es das Studium des Rechtes, des
römischen wie des kanonischen, aus dem die Universität hervorwuchs. Die prächti-
gen Glossatorengräber, die jedem Besucher ins Auge fallen, bezeugen es. Wie sie
übrigens auch bezeugen, dass die Entstehung der Wissenschaft mit der akademischen
Lehre eng zusammenhängt. Die Akademien sind erst viel später hinzugetreten — in
Italien vom 16., bei uns vom 17. Jahrhundert an. Die Frage, wozu wir sie eigentlich
brauchen, etwas anders formuliert, was ihr Potential in der institutionellen Vielge-
staltigkeit, in der Wissenschaft sich organisiert, eigentlich sei, drängt sich einem Aka-
demiepräsidenten, der ein paar Monate lang in den Straßen dieser ältesten Univer-
sitätsstadt seiner Wege geht, auf.
Das ist kein Thema für eine Begrüßung. Aber diesen einen Gedanken erlauben
Sie mir doch bitte: Die Wissenschaft ist eine prometheische Gabe Europas an die
Welt, überlebenswichtig, aber auch Abgründe öffnend. Daraus folgt für mich, dass die
Wissenschaft in anderem Maße, als sie das bisher getan hat, die Fähigkeit und Bereit-
schaft zur Selbstreflexion entwickeln muss. Akademien könnten ein geeigneter Ort
dafür sein.
Seit der Wissenschaftsrat vor vier Jahren sich dazu hat vernehmen lassen, ist viel
von einer ganz anderen möglichen Aufgabe der Akademien die Rede — der der wis-
senschaftlichen Beratung der Politik. Für die brauche Deutschland eine Nationala-
kademie, so hat der Wissenschaftsrat es 2004 postuliert. Seitdem habe ich auf jeder
Jahresfeier Anlass gehabt, einige Sätze zu diesem Thema zu sagen. Es hat mich auch
nach Bologna verfolgt. Es ist das einzige Thema des Jahresberichtes, das ich nicht
Herrn Hahn überlassen kann, weil ich mich wohl hier in Heidelberg, nicht aber in
meinem Amt als Vertreter des Präsidenten der Union vom ihm vertreten lassen konn-
te. Ihm ist in dieser Arbeitsteilung das bessere Los zugefallen.
Die Akademienlandschaft in Deutschland hat sich im letzten Jahr bedeutsam
verändert. Im Oktober 2007 wurde in Berlin die Deutsche Akademie für Technik-
wissenschaften gegründet. Wir haben diese Gründung nach anfänglicher Unsicher-
heit entschlossen unterstützt und freuen uns auf die Zusammenarbeit. Im Februar
einigten sich Bund und Länder in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz darauf,
die Leopoldina zur Nationalakademie zu erheben, ihr aber in dieser Eigenschaft eine
Art Kooperationsrat zuzuordnen, in dem neben der Leopoldina die Union und die
Deutsche Akademie für Technikwissenschaften vertreten sind. Das war nicht die
Lösung, die die Akademien gemeinsam vorgeschlagen hatten. Ob es eine gute
Lösung sein wird, werden wir in ein paar Jahren wissen. Wir beglückwünschen die
Leopoldina zu der Standeserhöhung, die in wenigen Wochen förmlich vollzogen