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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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I. Das Geschäftsjahr 2008
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 25. Januar 2008
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Debatin, Klaus-Michael: Zelltod: Konzepte, Signalwege, Krankheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0054
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25. Januar 2008 | 67

WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
HERR KLAUS-MICHAEL DEBATIN HÄLT EINEN VORTRAG:
„Zelltod: Konzepte, Signalwege, Krankheiten“.
Die Erforschung des Zelltodes hat sich in den letzten Jahren zu einem der span-
nendsten Forschungsgebiete der Biomedizin entwickelt. Auf die banale Frage, wie
Zellen sterben, hatten die Biowissenschaften lange keine Antwort, bzw. konnten
diese Frage gar nicht stellen, da sie das Phänomen Zelltod nur als Unfall im Gewe-
be, als Nekrose, und nicht als natürlichen Vorgang, der wie alles in der Natur gere-
gelt abläuft, auffassen und beschreiben konnten. Das Verständnis eines biologischen
Phänomens setzt nicht nur eine exakte Beschreibung voraus, sondern benötigt auch
eine zellbiologische und molekularbiologische Sprache.
Bereits in den 70er Jahren gab cs Hinweise darauf, dass neben Nekrose eine
andere Form von Zelltod existiert, bei der offensichtlich Zellen nicht im Rahmen
einer Gewebskatastrophe (z. B. Sauerstoffmangel beim Infarkt) absterben, sondern als
Einzelzellen aus dem Gesamtverband verschwinden. Dieses Phänomen gleicht dem
Wechseln der Blätter an einem Baum, dessen Struktur erhalten bleibt, und wurde
von den Entdeckern als „Apoptose“ bezeichnet. Das griechische Wort apoptein
(OCJIOJITEIV) bedeutet in diesem Kontext das Herabfallen der Blätter vom Baum
unter Erhaltung der Struktur.
Ausgangspunkt der eigenen Forschung waren in den 80er Jahren Konzepte, die
zu verstehen versuchten, warum sich Tumorzellen unkontrolliert vermehren. Diese
Forschungen vieler Arbeitsgruppen haben zur Identifizierung von Wachstumsfakto-
ren und ihren Rezeptoren geführt, sodass Krebs und Leukämie als Krankheiten auf-
gefasst wurden, bei denen Faktoren, die normalerweise die Zellteilung steuern, Zel-
len unkontrolliert in die Vermehrung treiben. Da es schwierig ist, Zellen, die im Pati-
enten als Tumor oder Leukämie wachsen, in der Zellkultur am Leben zu halten und
diese zu vermehren, dachten wir lange Zeit, dass das Problem nur darin liegt, dass
wir die Wachstumsfaktoren (noch) nicht kennen. Was wir aus heutiger Sicht überse-
hen haben, ist, dass auch in einem Tumor die meisten Zellen anscheinend dazu
bestimmt sind abzusterben.
Im Gegensatz zur Nekrose, bei der Zellen „platzen“, geschieht der apoptoti-
sche Zelltod im Verborgenen. Die Zellen zerfallen dabei in kleinste Teile (apoptoti-
sche Körperchen), die von umgebenden Zellen aufgenommen werden. Dieser Pro-
zess läuft im Körper auf Einzelzellebene sehr schnell ab. Apoptotischer Zelltod ver-
läuft geordnet und ist evolutionär hoch konserviert. In der Fruchtfliege Drosophila
sowie im kleinen Fadenwurm Caenorhabditis elegans sind die Programme ganz ähn-
lich wie beim Menschen strukturiert. Es kommt dabei zu charakteristischen mor-
phologischen Veränderungen und es werden zelluläre Substrate wie zum Beispiel die
DNS im Zellkern in charakteristischer Weise so gespalten, dass eine so genannte
„DNA-Leiter“ entsteht. Da Apoptose vor allem ein wesentlicher Mechanismus zur
Organbildung und Herausbildung von Körpermerkmalen (z.B. der Figur) bei der
Entwicklung von der befruchteten Keimzelle zum erwachsenen Organismus dar-
stellt, wird diese Form des Zelltods auch programmierter Zelltod genannt. Die Ent-
 
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