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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0061
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2. Analyse des Forschungsstands | 57

Institutionen und Institutionalisierung
Den Arbeiten Melvilles und seiner Schüler liegt ein stark soziologisch gepräg-
ter Institutionenbegriff zugrunde, der, wie die Überlegungen Karl Achams, Hans
Michael Baumgartners und Klaus Schreiners zeigen, sehr breit angelegt ist.216
Nach Schreiner begründen Institutionen in erster Linie Dauer. »Sie reduzie-
ren die Unbegrenztheit möglicher Verhaltensweisen; sie verhindern die Beliebig-
keit persönlichen und kollektiven Handelns und machen Handlungsabläufe, die
für die Funktionsfähigkeit und den Bestand sozialer Systeme grundlegend sind,
vorhersehbar.«217 Pointiert definiert Melville Institutionen als »sinnbezogene
und ordnungsstiftende Determinierungen von sozialen Interaktionen«.218 Genauer
gesagt besitzen Institutionen »per se eine normative, organisatorische und ideel-
le Komponente, die in einem Sinnbezug zueinander stehen.«219 Zwischen diesen
Komponenten besteht also eine Kohärenz dahingehend, dass Organisation aus
normativen Verhaltensstrukturen hervorgeht, die sich wiederum auf Leitideen zu-
rückführen lassen.220 Diese breit angelegte Definition »bedingt die Annahme, daß
die Verhaftung in Institutionen eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz
ist.«221 So bemerkt Acham: »Wir sind immer schon in Institutionen« und folgert
daraus: »Institutionalisierung besagt nur Zunahme des Grades der Formalisierung
von Organisationsstrukturen, also auch der Explizitheit von Normierungen sowie
der Rationalität von ideellen Objektivationen.«222 Nach Schreiner strebt Institu-
tionalisierung »als Prozeßergebnis eine sinnhafte Ordnung von Verhaltensregeln
und konkreten Verhaltensweisen an, die einem Sozialgebilde Bestand geben.«223 Vor
diesem Hintergrund stellte sich aus historischer Sicht die Frage, wie soziale Gebilde
angesichts stetiger Veränderungen ihre Stabilität bewahren konnten. Schreiner vor
allem aber Melville und seine Schüler fragten daher nach den institutionellen Me-
gleichlautenden Beitrag in den Frühmittelalterliche Studien 22 (1988), S. 388-409; eine kurze Zusam-
menfassung bieten G. Melville, E Cygler, Le projet L 1 du »Sonderforschungsbereich 231«; wegweisend
zudem G. Melville, Zur Funktion der Schriftlichkeit; K. Schreiner, Verschriftlichung als Faktor monasti-
scher Reform. Eine Vorstellung des SFB 537 findet sich bei E Cygler, G. Melville, Nouvelles approches
historiographiques; G. Melville, Alcune osservazioni sui processi di istituzionalizzazione; Ders., Nuove
tendenze della storiografia monastica.
216 Richtungsweisend sind die Aufsätze G. Melville, Institutionen als geschichtswissenschaftliches Thema;
K. Acham, Struktur, Funktion und Genese; H. M. Baumgartner, Institution und Krise; K. Schreiner,
Dauer, Niedergang und Erneuerung.
217 K. Schreiner, Dauer, Niedergang und Erneuerung, S. 296-297.
218 G. Melville, Institutionen als geschichtswissenschaftliches Thema, S. 7.
219 J. Oberste, Visitation und Ordensorganisation, S. 20.
220 G. Melville, Institutionen als geschichtswissenschaftliches Thema, S. 15.
221 J. Oberste, Visitation und Ordensorganisation, S. 23.
222 K. Acham, Struktur, Funktion und Genese, S. 36, Anm. 11.
223 K. Schreiner, Dauer, Niedergang und Erneuerung, S. 297.
 
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