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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0133
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3. Die Veränderungen durch die correctio | 129

Nach dem zweiten Laterankonzil befassten sich der Papst und einige Kardi-
näle schließlich mit der Angelegenheit intensiver und bestätigten nach zehntägiger
Prüfung aller Dokumente die Freiheit des Klosters.546 Mit dem päpstlichen Privileg
vom 26. April 1139 wurde Saint-Bertin somit endgültig aus der Ecclesia cluniacensis
heraugelöst.547 Cedric Giraud vermutet, dass in diesem Zusammenhang einer der
bertinianischen Mönche, die Leonius begleitet hatten, namens »Wilhelm der Fran-
zose« (Guillelmus Francigena), von Innozenz II. in das Kloster von Santa-Sophia in
Benevent geschickt wurde, um die Stadt wieder in seine Obödienz zurückzuführen.
Aus der Feder dieses bertinianischen Mönchs stammt eine Sammlung von Predig-
ten, die Wilhelm zum Teil in Süditalien gehalten hatte und zum Teil neu schrieb, um
sie schließlich Papst Innozenz zu widmen.548
Nach dem päpstlichen Privileg von 1139 begab sich Leonius noch zweimal nach
Rom, um sich von den Päpsten Cölestin II. (1144) und Eugen III. (1145) die Freiheit
Sithius bestätigen zu lassen.549 Nach mehr als dreißig Jahren nahm damit der Kon-
flikt zwischen Saint-Bertin und Cluny sein Ende.
Der Konfliktverlauf macht mehrere Dinge deutlich: Zunächst fällt auf, dass der
Konflikt stets im Zusammenhang mit der Neubesetzung des Abtsstuhls wieder
aufloderte. Die freie Wahl eines neuen Abtes oder seines Stellvertreters war für
die bertinianischen Mönche Ausdruck ihrer Freiheit, für die Cluniazenser dage-
gen reinste Provokation, da schließlich gemäß der Übertragungsurkunde an Cluny
stets ein Cluniazenser die Leitung der Abtei innehaben sollte.550 Auffallenderweise
kommt Simon nur noch am Rande auf die Unterstützung durch die Großen zu
sprechen.551 An ihre Stelle tritt in seiner Darstellung nun die Appellation nach Rom,
eine in jener Zeit sehr geläufige Methode der Konfliktbeilegung.552 Simon macht
aber mehr als deutlich, wie unsicher und wenig zufriedenstellend dieses Vorgehen
war: Der Erfolg war dabei in erster Linie abhängig von der Reisegeschwindigkeit,
der politischen Lage, der Person des Papstes und der Unterstützer an der Kurie.
Erst in zweiter Linie waren die Argumente in Form der vorgelegten Urkunden von
Bedeutung; und hier schreckte man, wie Laurent Morelle zeigen konnte, nicht

546 Simon, Gesta, III, c. 5, 6, S. 662.
547 JL 8016; L. Morelle, Par delä le vrai et le faux, S. 76, 80-83.
548 C. Giraud, Les sermons inedits de Guillaume le Framjais; angesichts des durchaus ausgeprägten Eigen-
ständigkeitsgefühls in Saint-Bertin (vgl. Simon, Gesta, II, c. 95, S. 654) bleibt offen, warum sich Wil-
helm nicht als Flame bezeichnet hat, sondern als Franzose. Folgt man der Argumentation Girauds kann
Wilhelm nur schwerlich ein Cluniazenser aus Saint-Bertin gewesen sein. Die Bezeichnung Francigena
bezieht sich somit auf das Herrschaftsgebiet des französischen Königs, zu dem die Grafschaft Flandern
gehörte.
549 Simon, Gesta, III, c. 7-13, S. 663.
550 Siehe dazu oben S. 101-111.
551 Simon, Gesta, II, c. 117-125, S. 658-659.
552 S. Patzold, Monastische Konflikte als geregelte Spiele?
 
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