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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0184
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180 | I. Die Abtei von Saint-Bertin

gewesen.787 Bergues-Saint-Winnoc war, ähnlich wie Auchy-les-Moines, eine Ge-
meinschaft, die sehr eng mit Saint-Bertin verbunden war.788
Das Kloster sei aber in große Unruhe gebracht worden: Ein gewisser Ingelbert,
der aus hohem Adel stammte und dort Mönch war, wollte nämlich in das Amt des
Abtes gelangen. Er beschuldigte daher den amtierenden Abt Ermengerus mithil-
fe einiger Komplizen schwerer Vergehen und erwirkte dessen Absetzung.789 Als
Abt Ingelbert viele Jahre später im Sterben lag, gestand er öffentlich, dass er seinen
Vorgänger ungerechterweise beschuldigt habe. Nach seinem Tod sei daher die Ab-
setzung des Ermengerus revidiert worden. Da er Ingelbert aber nur um zwei Jahre
überlebt hatte, überließ er die correctio seines Klosters der Hand Gottes.790
Die Mönche aus Bergues wollten ihre alten Gepflogenheiten allerdings nicht
ablegen und beharrten darauf, einen der ihren zum Abt zu wählen. Da Bischof
Johannes von Therouanne die Großen und den Grafen davon überzeugt hatte,
dass man in dieser heruntergekommenen Kirche ein besseres Leben führen müsse,
sprach er sich dagegen aus, den Abt aus den Reihen undisziplinierter Mönche zu
wählen. Gräfin Clementia habe daher auf Bitten Lamberts ihren Mann von der
Unterstützung der correctio überzeugen können. Lambert habe hierauf Hermes,
den Prior von Sithiu, der zu diesem Zeitpunkt in Cluny war, als neuen Abt vorge-
schlagen.791 An einem festgesetzten Tag sei er - begleitet von Lambert, dem Grafen,
dem Bischof und einigen Brüdern aus Sithiu - dorthin gebracht worden, um den
Ordo zu befolgen. Nachdem die Mönche von Bergues geflohen waren, sei Hermes
schließlich mit der bischöflichen Autorität und der gräflichen Macht dort eingesetzt
worden. Obgleich er beinahe alles darniederliegend vorgefunden habe, habe er sich
sogleich ans Werk gemacht und die religio wiederhergestellt, so dass es zu zahlrei-
chen Klostereintritten gekommen sei. Da er aber nur das Äußere des Menschen
787 Simon, Gesta, II, c. 72, S. 650: »Quae aecclesia de canonicis secularibus in monachos pridem mutata,
ab hoc Sithiensi coenobio tempore Roderici abbatis et monachicam mutavit religionem. A quo tempore
tanta confederabantur mutuae dilectionis familiaritate hae duae aecclesiae, ut par esset, unam corrigi ab
altera.« Zu Bergues-Saint-Winnoc vgl. B. Meijns, Aken of Jeruzalem?, S. 326-333; S. Vanderputten,
Crisis of Cenobitism, S. 271-273.
788 S. Vanderputten, Crisis of Cenobitism.
789 Hugo von Flavigny, Chronicon, S. 419 überliefert einen Brief Hugos von Die, in dem berichtet wird,
dass Ermengerus der Simonie überführt worden sei und deswegen abgesetzt wurde. Zu Ingelbert und
dieser Passage der Gesta Simons vgl. auch S. Vanderputten, Crisis of Cenobitism, S. 280-281.
790 Simon, Gesta, II, c. 73, S. 650: »Erat ea tempestate in prefato monasterio Ingelbertus, vir altae nobilitatis
secundum seculum, abbas, si sano introitu per ostium intrasset. Qui abbatizandi cupiditate illectus,
Eremengerum abbatem suum, complicibus non minoris culpae sibi adhibitis, iniuste accusavit; illique
deposito succedens, per annos fere ... idem cenobium tenuit. Qui, imminente mortis articulo, publice
confessus est, patrem suum a se iniuste accusatum et infamatum. Quo sepulto, conventus, legatione
Romam missa, decreto papae Ermengerum diu depositum abbatem, ut iustum fuit, receperunt. Qui infra
biduum provectae aetatis bonique testimonii obiit et meliorationem sui monasterii in manu Dei reliquit.«
791 Siehe dazu oben S. 150.
 
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