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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0213
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4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio | 209

worden und über Jahrzehnte hinweg Ursache für zahlreiche Konflikte.879 Die Wahl
Abt Lamberts war zudem die letzte, die nicht durch alia consuetudinali rectitudine
et potencia vom Ordo Saint-Bertins abgewichen war. Gerade nach der Überwin-
dung des Konflikts mit Cluny schien für den Chronisten die Rückkehr zu den alten
lokalen Gebräuchen Sithius der richtige Weg gewesen zu sein.
Lamberts co/rect/o; vom guten Werk zur Katastrophe?
Im Zentrum des zweiten und dritten Buchs der Gesta abbatum stehen bekanntlich
die correctio Saint-Bertins durch Abt Lambert und ihre Folgen. Der Chronist liefert
dem Leser hierbei eine auffallend genaue Schilderung der Umstände und Ereignisse,
die zur correctio des Klosters und anschließend zum Konflikt mit Cluny führten.
Die große Detailfreude Simons verfolgt mehrere Ziele: Zum einen bietet der Chro-
nist den künftigen Generationen eine genaue Dokumentation der Ereignisse, die
angereichert mit den entsprechenden Urkunden und Briefen einen stark legitima-
torischen Charakter aufweist. Zum anderen besitzen das zweite und dritte Buch
einen stark moralisierenden und didaktischen Charakter. So wendet sich Simon am
Ende seines Werkes mahnend an den Leser:
»Diese Übel der inneren Zwietracht in den Klöstern zwischen den Äbten und
den Mönchen, in den Kirchen zwischen den Bischöfen und den Klerikern, in den
Herrschaften zwischen Grafen und dem Volk, in den Königreichen zwischen den
Königen und den Herzögen, pflegt alles Gute zu zerstören; vor ihm soll der Leser
gewarnt sein und sich hüten.«880
In diesem Satz kommt unmissverständlich zum Ausdruck, dass die discordiae
das Hauptthema der gesamten Erzählung sein sollten. Im Mittelpunkt steht dabei
natürlich die jahrzehntelange Auseinandersetzung Saint-Bertins mit Cluny. Die
übrigen Konflikte, die Simon beiläufig schildert, öffnen den Blick auf die Welt jen-
seits der Klostermauern und lassen jene Zeit als eine Zeit der Zwietracht und der
Krise erscheinen.881 Für die Geschichte des Klosters ist der Hinweis, die intestina
879 Siehe dazu oben S. 113-130.
880 Simon, Gesta, III, c. 15, S. 663: »Haec quae per sexaginta annos me recolo veraciter vidisse vel a veracibus
audisse de successibus et diversis discordiae excessibus Sithiensis aecclesiae, de Flandrensium comitum
successione et subiectae gentis inter se varia dissensionis, summatim me tetigisse lector equanimiter ferat;
et quid morbus intestinae dissensionis in coenobiis inter abbates et monachos, in aecclesiis inter praesu-
les et clericos, in monarchiis inter comites et populos, in regnis inter reges et duces, ad destructionem
totius boni parere soleat, diligenter animadvertat et caveat.«
881 Es sei nur auf den Konflikt zwischen Heinrich V. und dem Papst (Simon, Gesta, II, c. 97, S. 654) ver-
wiesen, auf die Ermordung Karls des Guten (ebd., c. 117, S. 658), den Streit um seine Nachfolge, mit
kriegerischen Folgen (ebd., c. 118-123, S. 658-659) und das Anaklet-Schisma (ebd., c. 127, S. 660).
 
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