4. Simons Gesta abbatum als Überrest der correctio | 211
dert und nicht einfach schweigend über sie hinweggeht. Eine Erklärung wäre, dass
er diese Verhaltensweisen durchaus billigte und somit eine etwas andere Vorstellung
vom Amt des Abtes hatte als es die Benediktregel formuliert.887 Demnach stünde die
züchtigende Hand des Abtes über allen anderen Idealen.888 Andererseits könnte die
Detailfreude Simons daher rühren, dass er bewusst den Konflikt mit den Brüdern
thematisieren wollte. Nur durch die Schilderung der Verhaltensweisen Lamberts
wird dem Leser verständlich, weshalb die Mönche sich bei der Rückkehr Lamberts
gegen diesen erhoben und sich erdreisteten, ihm den Gehorsam zu verweigern. Das
respektlose Verhalten der Brüder ist seinerseits alles andere als gottgefällig, letzt-
endlich aber auch auf das Verhalten des Abtes zurückzuführen.
Auch in der Eolge finden sich immer wieder Passagen, in denen Lambert wenig
vorteilhaft dargestellt wird. So beispielsweise, als Simon relativ deutlich kritisiert,
dass Lambert angesichts der großen Zahl von Neuzugängen auch jene aufgenom-
men habe, die ihm und den künftigen Äbten in der Polgezeit so große Schwierig-
keiten bereiten sollten.889 Simon spielt hier auf die Mönche an, die maßgeblich an
den Konflikten im Kloster beteiligt waren und sich dadurch letztendlich als nicht
geeignet für das monastische Leben erwiesen. Wenn der Chronist bemerkt, Lam-
bert habe auch eben diese Männer aufgenommen, wirft er ihm nichts anderes vor
als deren mangelhafte Prüfung vor dem Eintritt ins Kloster.890
Ein weiteres Beispiel findet sich, als Abt Pontius forderte, nach Sithiu kommen
zu dürfen, und Lambert sich zunächst im Geheimen mit dem Grafenhaus für die
Verteidigung der Freiheit Saint-Bertins aussprach, dann aber, nachdem er von Pon-
tius zurechtgewiesen worden war, davon abließ und »all jene Mönche hasste, die
gegen die Cluniazenser waren«.891 Auch hier legte Lambert Verhaltensweisen an
den Tag, die denen eines guten Abtes zuwiderliefen. Ein Abt hatte seine Mönche
nicht zu verachten oder zu hassen, sondern zu lieben und sollte sich zudem nicht
derart wankelmütig verhalten. Wie alle Mönche war auch der Abt zur stabilitas, das
Zum Eid und zur Gewalt vgl. die Instrumenta bonum operum der RB 4, 27-28: »Non iurare, ne forte
periuret / Veritatem ex corde et ore proferre.« RB 4, 24: »Dolum in corde non tenere.« RB 4, 7: »Non
falsum testimonium dicere.« RB 4, 22-23: »Iram non perficere / Iracundiae tempus non reservare.« RB
4, 30-31: »Iniuriam non facere, sed et factas patienter suffere / Inimicos diligere.«
887 Zur Rechtsmentalität der Mönche und ihrem Gebrauch normativer Texte in Konflikten vgl. S. Patzold,
Konflikte im Kloster, S. 341-357.
888 Nach der RB hat der Abt streng zu sein, aber zugleich liebevoll. Letzteres wird bei Lambert ausgeblen-
det.
889 Simon, Gesta, II, c. 67, S. 649.
890 RB 58, 1-29.
891 Simon, Gesta, II, c. 90, S. 653: »[...] ut omnes Cluniacensibus resistentes Lambertus abbas haberet exo-
sos.«
dert und nicht einfach schweigend über sie hinweggeht. Eine Erklärung wäre, dass
er diese Verhaltensweisen durchaus billigte und somit eine etwas andere Vorstellung
vom Amt des Abtes hatte als es die Benediktregel formuliert.887 Demnach stünde die
züchtigende Hand des Abtes über allen anderen Idealen.888 Andererseits könnte die
Detailfreude Simons daher rühren, dass er bewusst den Konflikt mit den Brüdern
thematisieren wollte. Nur durch die Schilderung der Verhaltensweisen Lamberts
wird dem Leser verständlich, weshalb die Mönche sich bei der Rückkehr Lamberts
gegen diesen erhoben und sich erdreisteten, ihm den Gehorsam zu verweigern. Das
respektlose Verhalten der Brüder ist seinerseits alles andere als gottgefällig, letzt-
endlich aber auch auf das Verhalten des Abtes zurückzuführen.
Auch in der Eolge finden sich immer wieder Passagen, in denen Lambert wenig
vorteilhaft dargestellt wird. So beispielsweise, als Simon relativ deutlich kritisiert,
dass Lambert angesichts der großen Zahl von Neuzugängen auch jene aufgenom-
men habe, die ihm und den künftigen Äbten in der Polgezeit so große Schwierig-
keiten bereiten sollten.889 Simon spielt hier auf die Mönche an, die maßgeblich an
den Konflikten im Kloster beteiligt waren und sich dadurch letztendlich als nicht
geeignet für das monastische Leben erwiesen. Wenn der Chronist bemerkt, Lam-
bert habe auch eben diese Männer aufgenommen, wirft er ihm nichts anderes vor
als deren mangelhafte Prüfung vor dem Eintritt ins Kloster.890
Ein weiteres Beispiel findet sich, als Abt Pontius forderte, nach Sithiu kommen
zu dürfen, und Lambert sich zunächst im Geheimen mit dem Grafenhaus für die
Verteidigung der Freiheit Saint-Bertins aussprach, dann aber, nachdem er von Pon-
tius zurechtgewiesen worden war, davon abließ und »all jene Mönche hasste, die
gegen die Cluniazenser waren«.891 Auch hier legte Lambert Verhaltensweisen an
den Tag, die denen eines guten Abtes zuwiderliefen. Ein Abt hatte seine Mönche
nicht zu verachten oder zu hassen, sondern zu lieben und sollte sich zudem nicht
derart wankelmütig verhalten. Wie alle Mönche war auch der Abt zur stabilitas, das
Zum Eid und zur Gewalt vgl. die Instrumenta bonum operum der RB 4, 27-28: »Non iurare, ne forte
periuret / Veritatem ex corde et ore proferre.« RB 4, 24: »Dolum in corde non tenere.« RB 4, 7: »Non
falsum testimonium dicere.« RB 4, 22-23: »Iram non perficere / Iracundiae tempus non reservare.« RB
4, 30-31: »Iniuriam non facere, sed et factas patienter suffere / Inimicos diligere.«
887 Zur Rechtsmentalität der Mönche und ihrem Gebrauch normativer Texte in Konflikten vgl. S. Patzold,
Konflikte im Kloster, S. 341-357.
888 Nach der RB hat der Abt streng zu sein, aber zugleich liebevoll. Letzteres wird bei Lambert ausgeblen-
det.
889 Simon, Gesta, II, c. 67, S. 649.
890 RB 58, 1-29.
891 Simon, Gesta, II, c. 90, S. 653: »[...] ut omnes Cluniacensibus resistentes Lambertus abbas haberet exo-
sos.«