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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0283
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5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 279

Recht schnell erkannte er, dass sich am Zustand des Bruders etwas geändert haben
musste. Er ermahnte ihn, das Gebot des heiligen Benedikt nicht zu missachten, wo-
nach man niemals an der Barmherzigkeit Gottes zweifeln dürfe.1153 Siger erkannte
nun die Heilung Fulchards und sorgte dafür, dass die gesamte Gemeinschaft davon
erfuhr.1154
Die Geschichte um Fulchards Leistenbruch verfolgt mehrere Ziele. Zunächst
trägt sie die Züge eines klassischen Wunderberichts: Fulchard wird nach sieben
Jahren auf wundersame Weise von seiner schweren Krankheit geheilt. Da dies in
der Krypta der Klosterkirche geschieht, wo die Gebeine der heiligen Rictrud ruh-
ten, ist die Heilung eindeutig ihrer Fürsprache bei Gott und der göttlichen vir-
tus zuzusprechen. Die Hauptintention dieses Berichtes ist es allerdings nicht, die
Wirkmächtigkeit dieser Heiligen hervorzuheben und ihren Kult zu fördern, denn
hierzu verfasste Galbert eigens die Miracula Sanctae Rictrudis. Tatsächlich findet
sich die Geschichte über Fulchards Leistenbruch und seine Heilung noch einmal in
eben diesem Werk. Dieser Mirakelbericht ist weit weniger detailliert und verzichtet
zudem darauf, Fulchard mit Namen zu nennen.1155 Die Geschichte im Patrocini-
um ist dagegen weit ausführlicher und stellt eindeutig die Person Fulchards in den
Mittelpunkt. Welchen Zweck Galbert mit dieser und den übrigen Geschichten um
Fulchard verfolgte, erklärt er gleich zu Beginn. So soll gezeigt werden, wie jener
junge und unerfahrene Bruder von Gott immer wieder auf die Probe gestellt wurde,
wie er sich in den jeweiligen Situationen verhielt und im Lauf der Zeit weiter ent-
wickelte.1156
Nach Galberts Dafürhalten war Fulchards Leistenbruch eine besonders schwere
Prüfung Gottes und weniger eine Strafe für ein etwaiges Fehlverhalten. Dennoch
deutet Galbert in seinem Bericht an, dass der Tod der Mutter Fulchards der Anlass
1153 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 143E: »Sed absit, ut unquam obstinata mente eximii Patris Benedicti ve-
litis jussui contraire, praecipientis obnixe, de misericordia Dei numquam desperate.« Vgl. dazu RB 4,
74: »et de misericordia Dei numquam desperate.«
1154 Galbert, Patrocinium, c. 2, S. 144B-C: »Illa vero amica collatione ad invicem sic diffinita, Domnoque
Fulchardo, utpote qui non libenter otio vacabat, redeunte ad sua; Domnus Sigerus anhelo passu collo-
cutionem Fratrum appetens, sine mora Domini nuntiavit magnalia, iteransque de Fratre quid & qualiter
gestum esset, exhortabatur Fratres degere in omni sanctitate & religione & justitia, quos herum Domi-
nus visitaverat, tarn aperta praebens miracula. Talibus corde compuncti ac in lacrymas Fratres resoluti,
Dominum omnipotentem unanimiter collaudaverunt, & gratias egerunt; doluerunt tarnen, quod in
recenti miraculo, melodiae debitae Deo dudum non insonuerunt.«
1155 Galbert, Miracula, I, c. 2, S. 128E-129A.
1156 Galbert, Patrocinium, c. 1, S. 140F: »Ceterum quibus cum Paulo crucifixus est mundus, tentari quidem
possunt; sed a recto statu, si bene fixerint anchoram mentis, minime decidunt: licet pulsati, licet tentati,
tentatori nequaquam cedunt, vel enerviter succumbunt. [Gal. 6,14] Tentatus est Job vir sanctissimus di-
risque flagellatus verberibus, utpote ad horam, pro nullo fere commisso, petitionibus inimici concessus;
sed licet saniem de membris eraderet in angustiis positus, nullatenus tarnen ad hoc potuit compelli, ut
umquam benignum Judicem corroderet; qui eum tradiderat satanae manibus.«
 
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