Metadaten

Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0378
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
374 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

derherstellte (renovando correxit).«1501 Die correctio des Klosters von Marchiennes
hatte nach Hermanns Darstellung also zwei Stoßrichtungen und war eng mit der
Person des Abtes verbunden.
Einen etwas ausführlicheren Bericht bietet Hermann über die correctio von
Saint-Bertin. Abt Lambert habe erkannt, dass die Disziplin seines Klosters stark
nachgelassen habe. Er habe sich daher an Abt Hugo von Cluny gewandt und sich
und sein ganzes Kloster der burgundischen Abtei unterstellt. Von dort sei er mit
zwölf Mönchen nach Sithiu gekommen, denen er schließlich die Leitung des Klos-
ters übertragen habe. Der Erfolg seiner correctio konnte sich nach Hermanns Da-
fürhalten schon bald sehen lassen, denn »dort wo vorher kaum zwölf Mönche leb-
ten, lebten nun 150 Mönche.«1502 Als der Graf von Flandern dies sah, habe er in der
Folgezeit die correctio vorangetrieben, indem er einige Mönche aus Saint-Bertin
in den Klöstern von Saint-Vaast in Arras und Sint-Pieters in Gent einsetzte. Auch
Abt Odo von Saint-Remi in Reims habe Mönche aus Saint-Bertin in sein Kloster
kommen lassen, um eine neue Lebensweise zu etablieren. Und so sah schließlich
auch König Ludwig VI. von Frankreich, wie die besagten Klöster unter diesen Con-
suetudines gediehen, und sorgte gewaltsam dafür, dass sie auch im Kloster Saint-
Medard in Soissons befolgt wurden. Nach Hermann hatte all dies zur Folge, dass
man in Frankreich und in Flandern kaum mehr ein Kloster fand, das nicht die Ge-
wohnheiten von Cluny befolgte.1503
Die Schilderung der correctio von Saint-Bertin unterscheidet sich von jener Mar-
chiennes durch einige Details. Hermann verbindet die correctio Saint-Bertins in
erster Linie mit der Einführung der Cluniazenser und des ordo cluniacensis und
zeichnet zudem das Bild einer Gemeinschaft, von der aus dieses Lebensweise weit-
hin in die Klosterlandschaft ausstrahlte. Saint-Bertin habe demnach wichtige Im-

1501 Hermann, Liber, c. 68, S. 306: »[...] domnus scilicet Amandus, qui pluribus annis prioratum Aquici-
nensis ecclesie tenuit, deinde abbas Marcieniensis effectus, ecclesiam illam pene destructam tarn interius
in religione quam exterius in divitiis renovando correxit.«
1502 Hermann, Liber, c. 80, S. 134: »[...] ubi prius vix XII monchos invenisses, postmodum CL omni ab-
undantia refertos reperisses.« Zur correctio von Saint-Bertin siehe oben S. 142.
1503 Hermann, Liber, c. 80, S. 134-135: »Quod cernens inclitus comes Flandrensis Robertus [...], sumptos
ex eodem cenobio Sancti Bertini monachos in ecclesiam Sancti Vedasti Atrebatensis Sanctique Petri
Gandensis posuit multumque eas correxit. Domnus quoque Odo venerabilis abbas Sancti Remigii
Remensis susceptos a prefato abbate Sancti Bertini monachos in cenobio suo posuit, deinde Ludovicus
rex Francorum, videns alias ecclesias per easdem consuetudines proficere, in cenobio Sancti Medardi
Suessionensis eas violenter servari fecit, sicque per gratiam dei vix iam invenitur in Francia vel Flandria
aliquod cenobium, in quo non videas Cluniacenses consuetudines servari.« Zum Totengedächtnis in
Saint-Remi vgl. L. Falkenstein, Le calendrier des commemorations, S. 23-29 außerdem A. Prache,
Les relations de saint Remi, S. 203-213; zur correctio von Saint-Medard vgl. Abbe Delanchy, Etudes
historiques, S. 145-152; allgemeiner zur Abtei vgl. den kurzen Beitrag von D. Defente, Saint-Medard
de Soissons, S. 145.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften