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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0389
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6. Der Liber de restauratione und die correctio von 1136 | 385

des Jahres 1136, die Abt Hermann zum Rücktritt zwangen, letzten Endes das Ver-
hältnis zwischen der Gemeinschaft und der Familie Osmund stark belastete, darf
der Liber de restauratione, der zum Teil einer Familienchronik gleicht, als Versuch
angesehen werden, das zerrüttete Verhältnis des Klosters mit dieser Familie wieder
zu verbessern.
6.3. Hermanns Vorstellung eines vollkommenen Mönchs
In Zeiten der Krise war es äußerst ratsam, den Mönchen Beispiele für ein voll-
kommenes klösterliches Leben vor Augen zu führen, ihnen die für ein gottgefäl-
liges Leben entscheidenden Ideale und Verhaltensweisen näher zu bringen. Im
Liber de restauratione verkörpert dies vor allem die erste Generation des Mar-
tinsklosters. Ihr Leben machte Saint-Martin zu einem heiligen Ort.1554 Hermann
bietet dem Leser darüber hinaus auch einzelne Beispiele für ein besonders gott-
gefälliges Leben.
Ein solcher Mönch war Hermanns Verwandter, Walter Osmund, der zu den
reichsten Männern der Stadt gehörte und zusammen mit seiner Frau Oda in die
Gemeinschaft von Saint-Martin eingetreten war. Obgleich seine Stellung in der
Welt der eines hohen Adligen gleichkam, habe er sich nun gewöhnlicher als jeder
Bauer verhalten. Er sei sich nicht zu gut dafür gewesen, das Kochwasser zu holen,
Pfannen und Töpfe zu waschen, den Boden zu putzen, das Feuer anzufachen, die
Pferdeställe zu säubern oder auszumisten. Und all dies vor den Augen seiner Ritter
und Verwandten, die schluchzten, als sie dies sahen. Durch seinen vorbildlichen
Lebenswandel habe er viele bekehrt und die Gläubigen zu Schenkungen an das
Kloster angeregt.1555
Dieses Beispiel zeigt zum einen, dass für Hermann Demut und Beständigkeit zu
den wichtigsten Tugenden des monastischen Lebens zählten. Nur wer seinen Stolz
und die Verhaltensweisen seines früheren Lebens abgelegt hatte, führte ein gottge-
fälliges Leben. Auf diese »vollkommenen« Mönche war das Kloster zum andern
auch wirtschaftlich angewiesen, da deren Gegenwart sich auf das Schenkungsver-
halten des klösterlichen Umfelds maßgeblich auswirkte.1556
Als Inbegriff eines vollkommenen Mönchs darf ein gewisser Bruder namens Pe-
ter gelten. Nachdem der Prior Rudolf eine kleine, dem heiligen Amandus geweihte
1554 A. Diem, Das monastische Experiment.
1555 Hermann, Liber, c. 58, S. 103: »[...] cernentibus et pre ammiratione plorantibus militibus et cognatis
suis, numquam erubuit multosque exemplo suo convertit.«
1556 Vita Hugonis, c. 13, S. 336.
 
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