390 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai
war es ihm wichtig, an den großen religiösen Eifer der Anfänge zu erinnern und
zugleich dessen Grenzen aufzuzeigen.
Im Folgenden sollen nun besonders wichtige Aspekte des erinnerten propositum
näher beleuchtet werden.
Armut
Das Spannungsfeld zwischen klösterlichem Besitz und freiwilliger Armut ist ein
zentraler Aspekt in Hermanns Liber de restauratione. Besonders deutlich wird
dies an der Darstellung jenes schweren Konflikts, der zwischen den Kanonikern
von Sainte-Marie und den Mönchen von Saint-Martin ausgebrochen war und 1108
schließlich beigelegt werden konnte.1570 Dieser Konflikt sollte dem Leser zeigen,
welche gravierenden Folgen das Streben nach Besitz haben konnte. Hermann ver-
anschaulicht dies auf folgende Weise: Nachdem 18 Männer (serzve/ztes) der Kano-
niker im Kampf gegen die Leute des Klosters ihr Leben gelassen hatten, habe Abt
Segard gesehen, wie einige der jungen Mönche sich über den Sieg des Klosters und
den Tod der Gegner sehr freuten. Da er erkannte, welch großer Gefahr die Seelen
dieser Mönche ausgesetzt waren, habe er daher Bußleistungen und Prozessionen
angeordnet, was schließlich dazu geführt habe, dass Gott dem Ganzen ein gutes
Ende bereitete.1571 Hermann macht in diesem Kapitel mehr als deutlich, dass das
Streben nach Besitz und Rechten nicht nur Zwietracht, Gewalt und Tod zur Folge
hatte, sondern auch den blanken Hass, der sich am deutlichsten in der Reaktion der
jungen Mönche widerspiegelt und zu den schlimmsten Untugenden der Mönche
zählte.1572
Wie weit die Brüder von Saint-Martin von ihrem eigentlichen Ideal der Besitz-
losigkeit abgekommen waren, hebt Hermann im nachfolgenden Kapitel besonders
deutlich hervor. Eberhard, der Kastellan von Tournai, habe nämlich die Mönche in
ihrem Kloster aufgesucht und angesichts der verfahrenen Situation zu vermitteln
versucht. Hermann legt ihm folgende Rede in den Mund: »Wir sind sehr erfreut
über die Wiederherstellung eurer Gemeinschaft. Nach ihrem noch nicht ganz zwan-
1570 Siehe dazu oben S. 358-362.
1571 Hermann, Liber, c. 88, S. 144: »De qua victoria videns domnus Segardus abbas quosdam iuvenum
nostrorum exultantes, ingressus ecclesiam et coram altari prostratus vehementissime fiere cepit, tarn
pro animabus eorum qui interfecti fuerant quam pro periculo fratrum qui exinde exultaverant. Unde
protinus convocatis Omnibus in capitulum, precepit ut sequenti die totus conventus unanimiter in pane
et aqua ieiunaret et, sicut in parasceve nudis pedibus mane surgentes, post primam psalterium totum
legerem et processionem facerent, in capitulo etiam omnes generaliter disciplinas susciperent.«
1572 RB 4, 26, 31,51,65.
war es ihm wichtig, an den großen religiösen Eifer der Anfänge zu erinnern und
zugleich dessen Grenzen aufzuzeigen.
Im Folgenden sollen nun besonders wichtige Aspekte des erinnerten propositum
näher beleuchtet werden.
Armut
Das Spannungsfeld zwischen klösterlichem Besitz und freiwilliger Armut ist ein
zentraler Aspekt in Hermanns Liber de restauratione. Besonders deutlich wird
dies an der Darstellung jenes schweren Konflikts, der zwischen den Kanonikern
von Sainte-Marie und den Mönchen von Saint-Martin ausgebrochen war und 1108
schließlich beigelegt werden konnte.1570 Dieser Konflikt sollte dem Leser zeigen,
welche gravierenden Folgen das Streben nach Besitz haben konnte. Hermann ver-
anschaulicht dies auf folgende Weise: Nachdem 18 Männer (serzve/ztes) der Kano-
niker im Kampf gegen die Leute des Klosters ihr Leben gelassen hatten, habe Abt
Segard gesehen, wie einige der jungen Mönche sich über den Sieg des Klosters und
den Tod der Gegner sehr freuten. Da er erkannte, welch großer Gefahr die Seelen
dieser Mönche ausgesetzt waren, habe er daher Bußleistungen und Prozessionen
angeordnet, was schließlich dazu geführt habe, dass Gott dem Ganzen ein gutes
Ende bereitete.1571 Hermann macht in diesem Kapitel mehr als deutlich, dass das
Streben nach Besitz und Rechten nicht nur Zwietracht, Gewalt und Tod zur Folge
hatte, sondern auch den blanken Hass, der sich am deutlichsten in der Reaktion der
jungen Mönche widerspiegelt und zu den schlimmsten Untugenden der Mönche
zählte.1572
Wie weit die Brüder von Saint-Martin von ihrem eigentlichen Ideal der Besitz-
losigkeit abgekommen waren, hebt Hermann im nachfolgenden Kapitel besonders
deutlich hervor. Eberhard, der Kastellan von Tournai, habe nämlich die Mönche in
ihrem Kloster aufgesucht und angesichts der verfahrenen Situation zu vermitteln
versucht. Hermann legt ihm folgende Rede in den Mund: »Wir sind sehr erfreut
über die Wiederherstellung eurer Gemeinschaft. Nach ihrem noch nicht ganz zwan-
1570 Siehe dazu oben S. 358-362.
1571 Hermann, Liber, c. 88, S. 144: »De qua victoria videns domnus Segardus abbas quosdam iuvenum
nostrorum exultantes, ingressus ecclesiam et coram altari prostratus vehementissime fiere cepit, tarn
pro animabus eorum qui interfecti fuerant quam pro periculo fratrum qui exinde exultaverant. Unde
protinus convocatis Omnibus in capitulum, precepit ut sequenti die totus conventus unanimiter in pane
et aqua ieiunaret et, sicut in parasceve nudis pedibus mane surgentes, post primam psalterium totum
legerem et processionem facerent, in capitulo etiam omnes generaliter disciplinas susciperent.«
1572 RB 4, 26, 31,51,65.