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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0449
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3. Veränderungen in der Lebensweise | 445

durchaus Glauben geschenkt wurde, beschränkte man sich darauf, die möglichen
Wege zu rekonstruieren, auf denen die Gewohnheiten Clunys vor 1086 nach An-
chin gekommen sein könnten. Aber auch nach 1086 gäbe es, folgt man der Methode
Hallingers, zwei Äbte, die als Vermittler der cluniazensischen Gewohnheiten in
Frage kommen könnten: zum einen Aimerich, der aus Saint-Vaast in Arras und so-
mit ebenfalls aus einem »richardischen Kloster« stammte; zum anderen Robert, der
wie die Annalen des Klosters berichten, ein Normanne war.1773 Gerzaguet misst
der Verbindung in die Normandie und somit nach Le Bec eine besondere Bedeu-
tung zu und kommt daher zu folgendem Schluss: »11 n’a pas ete possible de trouver
par quel cheminement ce religieux normand [Alelm] fut elu abbe d’Anchin en 1087,
ni comment Robert (1110-1111), autre moine normand, fut aussi elu abbe d’Anchin
en 1110. Alelme, malgre la brievete de son abbatiat, a dejä pu apporter Anchin les
pratiques monastiques rigoureuses de son abbaye normande. Ces deux abbes ont
pu etre les relais des coutumes d’inspiration clunisienne.«1774
Führt man sich nun aber noch einmal die Abbatiate dieser Äbte vor Augen,
dürfen Zweifel aufkommen. Im Zentrum des Abbatiats Alards standen zweifels-
ohne der Brand des Klosters und sein Wiederaufbau. Dass damit auch eine spi-
rituelle Erneuerung einherging, ist nicht ganz auszuschließen. Bedenkt man aber,
dass die Gemeinschaft erst im Begriff war, die für ein gemeinschaftliches Leben
notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, ist es wenig wahrscheinlich, dass
sich der ordo cluniacensis bereits so fest im Leben der Gemeinschaft verankert hät-
te, dass man bereits 1086 dazu übergehen konnte, diesen in andere Gemeinschaften
wie zum Beispiel Affligem zu tragen. Der Abbatiat Alelms hingegen war mit der
Dauer von nur einem Jahr schlicht und ergreifend zu kurz, um die cluniazensische
Lebensweise dauerhaft zu etablieren. Zudem ist seine Herkunft aus Le Bec kein
schlagkräftiges Argument, da es keinen Befund dafür gibt, dass Le Bec überhaupt
dem Einfluss Clunys unterlegen war. Constables weist vielmehr daraufhin, dass
die Consuetudines der großen normannischen Abtei einer »[...] >organic Compila-
tion of customs [that were] lifed before they were codiefied< rather than a systema-
tic collection from identifiable sources« glichen.1775 Über den Abbatiat Aimerichs
ist zu wenig überliefert. Robert hingegen war zwar normannischer Herkunft, wird
aber als Mönch von Anchin bezeichnet.1776 Nicht zuletzt ist es erstaunlich, dass
1773 Siehe dazu oben S. 436.
1774 J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 128. Er bemerkt aber auch (ebd., S. 128, Anm. 17), dass er keine
Übereinstimmungen zwischen den Gewohnheiten von Le Bec und denen Anchins gefunden habe.
1775 VgL dazu G. Constable, B. S. Smith (Hgg.), Three Treatises From Bec, S. 16.
1776 H. Sproemberg, Alvisus, S. 99 geht davon aus, dass Robert einst Mönch in Saint-Bertin war. J. P. Ger-
zaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 80 weist aber daraufhin, dass diese Ansicht auf einer Fehlinterpretation
von Auctarium, S. 395: »Hoc etiam anno Gelduinus [...] et herum effectus est reclusus apud Sanctum
 
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