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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0457
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4. Veränderungen in den Besitz- und Herrschaftsstrukturen | 453

Diese Geschichte sollte dem Leser zeigen, dass Alvisus die Interessen seines
Klosters wirksam zu verteidigen wusste. Neben der kirchenrechtlichen Strafe der
Exkommunikation sei es vor allem seine Persönlichkeit und nicht zuletzt die Hilfe
Gottes gewesen, die zum Erfolg führten. Das symbolische Niederlegen des Kruzi-
fixes in Dornen, die humiliatio, darf als zusätzliches Mittel gesehen werden, mit dem
die Mönche versuchten, die Hilfe Gottes zu erzwingen und zugleich eine gewisse
Öffentlichkeitswirkung zu erzielen.1809 Nicht zuletzt ist in der Kommemorierung
dieser Geschichte selbst eine geistige Waffe gegen Usurpation von Kirchengut zu
sehen. Der Verfasser dieser Episode legte großen Wert darauf, nicht nur den Namen
des besagten Ritters für die Nachwelt zu überliefern, sondern auch ausschließlich
dessen negatives Verhalten. Ihm gelang es damit, das negative Andenken an diesen
Ritter zu bewahren.1810
In zwei Urkunden werden Konflikte zwischen Anchin und anderen Klöstern do-
kumentiert.1811 Aus einer Urkunde Graf Karls des Guten erfährt man von der Bei-
legung eines Streits zwischen Anchin und Saint-Vaast in Arras. Gegenstand des
Konfliktes war ein Haus in Arras, dessen Besitz beide Klöster beanspruchten. Die
Abtei von Saint-Vaast trat diesbezüglich zunächst an die Schöffen der Stadt heran
und appellierte dann an das gräfliche Gericht. Da Alvisus allerdings beide Appella-
tionen nicht anerkennen wollte, entschied der Graf zugunsten von Saint-Vaast.1812
Auch wenn der vordergründige Gegenstand des Konflikts, nämlich das Haus in
Arras, keine größere Bedeutung hat, zeigt die Entscheidung des Grafen, dass diesem
Konflikt eine tiefergründige Bedeutung zukam. Die Ablehnung der Appellationen
von Saint-Vaast seitens Alvisus ist gleichzusetzen mit einer Ablehnung der gräfli-
chen Autorität. Dieser Befund sowie die Tatsache, dass aus Anchin lediglich drei
ficiens et semet ipsum cotidie contra abbatem igne iracundiae accendens, quadam die eidem abbati ad
eandem villam proficiscenti obviavit. Quo viso in furorem versus, abstracto gladio adversus eum venit
et verbis terribilibus, quibuscumque poterat, minitare coepit, et quod eius hora iam appropinquasset,
dicere. Quid plura? Gladium illi retro contra cor intra scapulas appulit. Sed monachis ac militibus
intervenientibus et clamantibus. >Quid facis?< nihil ei nocuit. Fortasse tune sanctus vir canonicas horas
decantabat, quas nec interrumpere timore mortis sibi imminentis nec insecutorem suum, saltem ad
momentum, respicere voluit, tarn de Dei auxilio quam de propria iustitia confisus. Cum vero eas ex-
plesset >Benedicite circumstantibus dixit, moxque conversus ad eum: >Fuge<, inquit, >excommunicate,
non te timeo nec minas tuas.< Statimque Aquicinctum misit et imaginem Dei crucifixi deponi et in
spinis collocari iussit. Nec multo post idem miles horrendo Dei iudicio morte pessima vitam finivit.«
1809 Zu diesem Beispiel vgl. S. Vanderputten, Monks, Knights, and the Enactment, S. 607-609; zum Phä-
nomen der humiliatio vgl. P. J. Geary, The Humiliation of Saints; Ders., La coercition des saints.
1810 In ähnlicher Weise vgl. S. Vanderputten, Monks, Knights, and the Enactment, S. 607-609.
1811 Ein Konflikt dreht sich um den Besitz des Altars von Dikkelvenne, den Abt Snelardus von Grammont
für seine Gemeinschaft beansprucht. Die Urkunde Bischof Burchards von Cambrai gibt Alvisus Recht
und bestätigt Anchin den Besitz dieses Altars. J. P. Gerzaguet, Les chartes de l’abbaye d’Anchin, D 40,
S. 136-137.
1812 J. P. Gerzaguet, Les chartes de l’abbaye d’Anchin, D 51, S. 148-149.
 
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