482 | IV. Die Abtei von Anchin
wie beispielsweise die vanitas.m7 Der Bruch mit der Welt ist die Grundvorausset-
zung, aber eben auch die schwierigste Hürde, um sich auf die Suche nach Gott zu
begeben. Hierzu bedarf es starker Selbstdisziplin und Eigenverantwortlichkeit.1937 1938
Ziel des Religiösen ist es zunächst, die monastischen Ideale zu verinnerlichen. In De
novitiis instruendis lässt sich diesbezüglich lediglich eine unterschiedliche Gewich-
tung der Ideale feststellen. So scheinen Armut und Keuschheit weniger bedeutend
gewesen zu sein als Gehorsam und Beständigkeit. Letztere sind, wie Breitenstein
feststellt, besonders zentral für Novizen, da bereits die Benediktregel fordert, dass
die jungen Mönche zwei Monate nach ihrem Eintritt in ein Kloster diese gelob-
ten.1939 Das Erlernen und Verinnerlichen der monastischen Ideale kann auf den un-
terschiedlichsten Wegen geschehen. Ob dies durch Hören, Lesen oder das Urteil
des eigenen Verstandes geschieht, sei dabei nicht von Bedeutung. Viele Wege, so
heißt es, führen zu Gott.1940 Wichtiger als jegliches Bücherwissen sei letztlich die
Erfahrung. Nur durch sie erlangte der Mönch die für ihn größtmögliche Befähi-
gung, nämlich die discretio, das heißt die Fähigkeit selbstständig abzuwägen und
zu entscheiden.1941 Besonders deutlich wird dies beispielsweise, wenn es um das
Schweigen der Mönche geht, was ein äußerst wichtiges Ideal in diesem Traktat dar-
stellt.1942 Ein Mönch, der über die discretio verfügt, kann selbst entscheiden, wann er
spricht und wann er lieber schweigt. Dies bezieht sich aber lediglich auf jene Zeiten
und Situationen, in denen die Regel oder die Gewohnheiten das Reden erlauben.1943
In diesem Zusammenhang sei kurz auf den an anderer Stelle genauer betrachte-
ten Briefwechsel zwischen Matthäus von Albano und den im Generalkapitel ver-
sammelten Äbten von 1131/32 verwiesen. Matthäus spricht davon, dass die besagten
Äbte »ewiges Schweigen« in ihren Klöstern angeordnet hätten, was seiner Meinung
nach alles andere als sinnvoll und praktikabel sei.1944 In ihrem Antwortschreiben
1937 Zur vanitas, die sich zum Beispiel in der Zurschaustellung des Fastens zeigt, vgl. M. Breitenstein, De
novitiis instruendis, S. 108-109, über die Demut, die besser ist als übergroße Tugend, ebd., S. 120-121,
über die Gefahr des Verurteilens vgl. ebd., S. 110, über die Verleumder, ebd., S. 115-116, über die
Verleumdung der Brüder, ebd., S. 128-129, über Aufruhr im Kapitel, S. 129-130. Zur Reaktion: der
Mönch solle nicht reagieren, sondern »sein«. Konflikte seien vielmehr als eine Prüfung Gottes anzuse-
hen.
1938 M. Breitenstein, De novitiis instruendis, S. 80.
1939 M. Breitenstein, De novitiis instruendis, S. 90-91; RB 58, 9.
1940 M. Breitenstein, De novitiis instruendis, S. 108: »Multis enim viis ad Deum tenditur, et ideo unus-
quisque illam quam arripuit semel irrevocabili sui cursus intentione perficiat, ut sit in qualibet profes-
sione perfectus.«
1941 Vgl. das Kapitel De discretione matre virtutum, M. Breitenstein, De novitiis, S. 119-120.
1942 Es wird gleich an mehreren Stellen thematisiert: De periculo detractorum, De silentio, De loquutione-,
vgl. dazu M. Breitenstein, De novitiis instruendis, S. 115-116, 135.
1943 M. Breitenstein, De novitiis instruendis, S. 87 verweist auf das Kapitel De loquutione. Notanda.
(S. 135): »Discerne quid loqueris, quid taceas, et in loquendo et in tacendo peritus esto.«
1944 Matthäus von Albano setzt sich sehr lange mit dem Ideal des Schweigens auseinander. S. Ceglar,
Guillaume de Saint-Thierry, S. 327: »[...] sciatis quia illa colloquia quae damnastis, quae generalia et
wie beispielsweise die vanitas.m7 Der Bruch mit der Welt ist die Grundvorausset-
zung, aber eben auch die schwierigste Hürde, um sich auf die Suche nach Gott zu
begeben. Hierzu bedarf es starker Selbstdisziplin und Eigenverantwortlichkeit.1937 1938
Ziel des Religiösen ist es zunächst, die monastischen Ideale zu verinnerlichen. In De
novitiis instruendis lässt sich diesbezüglich lediglich eine unterschiedliche Gewich-
tung der Ideale feststellen. So scheinen Armut und Keuschheit weniger bedeutend
gewesen zu sein als Gehorsam und Beständigkeit. Letztere sind, wie Breitenstein
feststellt, besonders zentral für Novizen, da bereits die Benediktregel fordert, dass
die jungen Mönche zwei Monate nach ihrem Eintritt in ein Kloster diese gelob-
ten.1939 Das Erlernen und Verinnerlichen der monastischen Ideale kann auf den un-
terschiedlichsten Wegen geschehen. Ob dies durch Hören, Lesen oder das Urteil
des eigenen Verstandes geschieht, sei dabei nicht von Bedeutung. Viele Wege, so
heißt es, führen zu Gott.1940 Wichtiger als jegliches Bücherwissen sei letztlich die
Erfahrung. Nur durch sie erlangte der Mönch die für ihn größtmögliche Befähi-
gung, nämlich die discretio, das heißt die Fähigkeit selbstständig abzuwägen und
zu entscheiden.1941 Besonders deutlich wird dies beispielsweise, wenn es um das
Schweigen der Mönche geht, was ein äußerst wichtiges Ideal in diesem Traktat dar-
stellt.1942 Ein Mönch, der über die discretio verfügt, kann selbst entscheiden, wann er
spricht und wann er lieber schweigt. Dies bezieht sich aber lediglich auf jene Zeiten
und Situationen, in denen die Regel oder die Gewohnheiten das Reden erlauben.1943
In diesem Zusammenhang sei kurz auf den an anderer Stelle genauer betrachte-
ten Briefwechsel zwischen Matthäus von Albano und den im Generalkapitel ver-
sammelten Äbten von 1131/32 verwiesen. Matthäus spricht davon, dass die besagten
Äbte »ewiges Schweigen« in ihren Klöstern angeordnet hätten, was seiner Meinung
nach alles andere als sinnvoll und praktikabel sei.1944 In ihrem Antwortschreiben
1937 Zur vanitas, die sich zum Beispiel in der Zurschaustellung des Fastens zeigt, vgl. M. Breitenstein, De
novitiis instruendis, S. 108-109, über die Demut, die besser ist als übergroße Tugend, ebd., S. 120-121,
über die Gefahr des Verurteilens vgl. ebd., S. 110, über die Verleumder, ebd., S. 115-116, über die
Verleumdung der Brüder, ebd., S. 128-129, über Aufruhr im Kapitel, S. 129-130. Zur Reaktion: der
Mönch solle nicht reagieren, sondern »sein«. Konflikte seien vielmehr als eine Prüfung Gottes anzuse-
hen.
1938 M. Breitenstein, De novitiis instruendis, S. 80.
1939 M. Breitenstein, De novitiis instruendis, S. 90-91; RB 58, 9.
1940 M. Breitenstein, De novitiis instruendis, S. 108: »Multis enim viis ad Deum tenditur, et ideo unus-
quisque illam quam arripuit semel irrevocabili sui cursus intentione perficiat, ut sit in qualibet profes-
sione perfectus.«
1941 Vgl. das Kapitel De discretione matre virtutum, M. Breitenstein, De novitiis, S. 119-120.
1942 Es wird gleich an mehreren Stellen thematisiert: De periculo detractorum, De silentio, De loquutione-,
vgl. dazu M. Breitenstein, De novitiis instruendis, S. 115-116, 135.
1943 M. Breitenstein, De novitiis instruendis, S. 87 verweist auf das Kapitel De loquutione. Notanda.
(S. 135): »Discerne quid loqueris, quid taceas, et in loquendo et in tacendo peritus esto.«
1944 Matthäus von Albano setzt sich sehr lange mit dem Ideal des Schweigens auseinander. S. Ceglar,
Guillaume de Saint-Thierry, S. 327: »[...] sciatis quia illa colloquia quae damnastis, quae generalia et