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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0529
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1. Das Phänomen der correctio | 525

sen, dass ein gottgefälliges und strenges klösterliches Leben wieder Einzug in die
Gemeinschaften hielt, ist zum Teil auch die Rede von der Einführung eines neuen
Ordos oder neuer Gewohnheiten. Inwieweit diese letztlich in den Gemeinschaften
konkret zur Anwendung gekommen waren, ob dies ganz oder nur in Teilen ge-
schah, ist, wie die jüngere Consuetudinesforschung zeigen konnte, im Einzelfall zu
untersuchen; eine solche Untersuchung setzt allerdings voraus, dass zeitgenössische
Handschriften überliefert sind. Bis auf den Fall von Marchiennes existieren in den
hier analysierten Fällen keine entsprechenden Handschriften. Für Saint-Bertin lässt
sich zumindest nachweisen, dass in der Anfangsphase der correctio der Versuch
unternommen wurde, die Gewohnheiten von Cluny buchstabengetreu zu befolgen.
Später wurde der Ordo immer wieder abgeändert und erhielt damit eine ganz eige-
ne Prägung. Auch der von den Generalkapiteln in viele Gemeinschaften getragene
ordo cluniacensis lässt in seinem Erscheinungsbild von 1131 auf einen sehr offenen
Umgang mit diesen Gewohnheiten schließen: Sie dienten als Ausgangspunkt und
Träger jener Spiritualität, welche die abbates comprovinciales einte.
Während sich die zeitgenössischen historiographischen und hagiographischen
Texte bezüglich der konkreten klösterlichen Alltagspraxis weitgehend in Schweigen
hüllen, fällt auf, dass die Autoren unabhängig voneinander ganz bestimmte Verän-
derungen der Lebensweise hervorhoben: so beispielsweise den Verzicht auf Eigen-
besitz, die strenge Einhaltung der Klausur und des Schweigegebots, aber auch die
Praxis der caritas in Form der Armenspeisungen. Vor allem der Bruch mit der Welt
und die caritas waren Aspekte des klösterlichen Lebens, die auch über die Klos-
termauern hinweg von der Außenwelt wahrgenommen werden konnten. Während
die Liturgie und die Gestaltung des innerklösterlichen Alltags eine Angelegenheit
für Spezialisten war und für den Außenstehenden weder sichtbar war noch adäquat
beurteilt werden konnte, waren eine strenge Klausur und die tägliche Speisung der
Armen nach außen hin sichtbare Zeichen für ein frommes und intaktes Kloster-
leben, das sich positiv auf den Ruf der Abtei auswirkte.
Bauliche Veränderungen
Die correctio einer Gemeinschaft umfasste auch Veränderungen baulicher Art. Zum
Teil handelt es sich dabei - wie im Falle Marchiennes - schlicht um Renovierungs-
arbeiten an bestehenden Gebäuden, mit dem Ziel, diese wieder bewohn- und nutz-
bar zu machen. Dadurch wurden jene Strukturen geschaffen, die das klösterliche
Leben gewährleisten sollten. So war der Bau oder die Wiederherstellung des Dormi-
toriums und des Refektoriums unabdingbar, um ein Leben in der Gemeinschaft
führen zu können. Immer wieder wissen die historiographischen Texte zu berich-
 
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