1.1. Religiöse Anfänge: Augustiner-Chorherr in Cantimpre
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nis, sich auch als Dominikaner und nach immerhin 15jähriger Zeit als Chorherr dem
Haus von Cantimpre noch zugehörig zu fühlen, ihre Überhöhung.32
Bevor Thomas zu den Augustiner-Chorherren von Cantimpre ging, durchlief er
eine mehrjährige Schulausbildung. Während über den Ort seiner Ausbildung ver-
schiedene gegensätzliche Überlegungen angestellt worden sind,33 scheint mittler-
weile gesichert, dass er diese in Cambrai erhielt, möglicherweise an der dortigen
Kathedralschule.34
Dass er überhaupt eine geistliche Karriere einschlug, verdankte er, wie wir im
Bonum universale de apibus erfahren, seinem Vater, der auf einer Reise nach Jerusa-
lem von einem Einsiedler bei der Beichte den Rat bekommen habe, es trüge am ehes-
ten zur Minderung seiner Sünden bei, seinen Sohn zum Studium zu bringen und aus
ihm einen „Christus angemessenen Priester“ zu machen. Diesen Rat umsetzend habe
sein Vater, so Thomas, ihm eine geistliche Ausbildung zukommen zu lassen. Seine
eigene Tätigkeit versteht Thomas konsequent deshalb auch als Gelübde gegenüber
dem Vater, der ihm sein Leben lang durch Traumerscheinungen Gewissen und Mah-
nung zugleich bleibt.35
Diese Darstellung wirft Fragen nach dem familiären Hintergrund des Thomas auf.
In den einschlägigen biographischen Darstellungen findet sich stets der Hinweis auf
eine „adelige Familie“, die entweder aus Beilingen36 oder aus Leeuw-Saint-Pierre37
Cantimpre, in: Thom. Cantimpr. BUA 11,53,12: Vidi quondam canonicum Cameracensis ecclesie,
qui se in religiosissimo Cantipratensi cenobio ad ordinem transtulit regulärem.
32 Thom. Cantimpr. Vita loannis, Prolog, 24-27: Licet enim alteriusprofessionis frater nunc sim, ta-
rnen apud uos sine ullo, ul confido, scandalo uel odio frater uester annis quindecim et eo amplius
uixi.
33 Vgl. hierzu Deboutte, Thomas van Cantimpre. Zijn opleiding, der sich dezidiert von früheren
Annahmen Henri Platelles und Robert Goddings, Thomas habe in Lüttich studiert, absetzt. Für
die Kathedralschule in Cambrai sprach sich jüngst Rachel Smith aus: Smith, Exemplarity and its
limits, S. 4 bzw. in der aktuellen Auflage Smith, Excessive Saints, S. 23.
34 Eine freilich nur vage Information des Autors findet sich in Thom. Cantimpr. BUA 1,19,10: ego in
quadam civitate episcopali annis undecim adolevi. Zwar verweist Thomas an verschiedenen Stel-
len des Bonum universale de apibus auf Schulgefährten; diese Angaben dienen jedoch vor allem
als Erzähl-Repertoire, nicht aber autobiographischen Angaben. Vgl. z. B. Thom. Cantimpr. BUA
I, 14,2 (Dilectum valde socium in scolis habui, coevum fere et prope parilium studiorum.); ebd.,
II, 30,8 (Adolescens adhuc sodalem habebam in scola puerilium studiorum carum valde, pudicum
et bonum, sed heu postmodum a magistro quodam suo per huius crimen vitii depravatum) oder
ebd., 11,57,31 (Habui in scolis socium, qui me vidente et audiente non solum facta, sed et dicta
lectionesque de die receptas dormiens recitabat, quod, ul certus fui, vigilans nullatenus potuisset).
35 S. ausführlich die Beschreibung in: Thom. Cantimpr. BUA 11,53,32 mit der abschließenden Besch-
reibung seines Vaters als „visionäres“ Gewissen (Mihi quoque Christus testis sit, quod si quando
pro eo celebrare distulissem alias impeditus, ipse mihi apparebat in sompnis et manibus ostensis,
plagis plurimis vulneratis, me utique, quare patrem filius non iuvarem, sinceriter arguebat). Für
eine Bezugnahme auf Thomas’ Vater als Gewährsmann eines Exempels s. ebd., 11,57,28.
36 Sweetman, Dominican preaching, S. 11; van Bellinghen, Thomas van Beilingen.
37 Histoire litteraire de la France XIX, S. 177-184, hier S. 177; Scriptores Ordinis, hg. Quetif/Echard,
S. 250-254, hier S. 250. Vgl. dazu auch den Hinweis des Thomas auf eine Cousine seines Vaters,
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nis, sich auch als Dominikaner und nach immerhin 15jähriger Zeit als Chorherr dem
Haus von Cantimpre noch zugehörig zu fühlen, ihre Überhöhung.32
Bevor Thomas zu den Augustiner-Chorherren von Cantimpre ging, durchlief er
eine mehrjährige Schulausbildung. Während über den Ort seiner Ausbildung ver-
schiedene gegensätzliche Überlegungen angestellt worden sind,33 scheint mittler-
weile gesichert, dass er diese in Cambrai erhielt, möglicherweise an der dortigen
Kathedralschule.34
Dass er überhaupt eine geistliche Karriere einschlug, verdankte er, wie wir im
Bonum universale de apibus erfahren, seinem Vater, der auf einer Reise nach Jerusa-
lem von einem Einsiedler bei der Beichte den Rat bekommen habe, es trüge am ehes-
ten zur Minderung seiner Sünden bei, seinen Sohn zum Studium zu bringen und aus
ihm einen „Christus angemessenen Priester“ zu machen. Diesen Rat umsetzend habe
sein Vater, so Thomas, ihm eine geistliche Ausbildung zukommen zu lassen. Seine
eigene Tätigkeit versteht Thomas konsequent deshalb auch als Gelübde gegenüber
dem Vater, der ihm sein Leben lang durch Traumerscheinungen Gewissen und Mah-
nung zugleich bleibt.35
Diese Darstellung wirft Fragen nach dem familiären Hintergrund des Thomas auf.
In den einschlägigen biographischen Darstellungen findet sich stets der Hinweis auf
eine „adelige Familie“, die entweder aus Beilingen36 oder aus Leeuw-Saint-Pierre37
Cantimpre, in: Thom. Cantimpr. BUA 11,53,12: Vidi quondam canonicum Cameracensis ecclesie,
qui se in religiosissimo Cantipratensi cenobio ad ordinem transtulit regulärem.
32 Thom. Cantimpr. Vita loannis, Prolog, 24-27: Licet enim alteriusprofessionis frater nunc sim, ta-
rnen apud uos sine ullo, ul confido, scandalo uel odio frater uester annis quindecim et eo amplius
uixi.
33 Vgl. hierzu Deboutte, Thomas van Cantimpre. Zijn opleiding, der sich dezidiert von früheren
Annahmen Henri Platelles und Robert Goddings, Thomas habe in Lüttich studiert, absetzt. Für
die Kathedralschule in Cambrai sprach sich jüngst Rachel Smith aus: Smith, Exemplarity and its
limits, S. 4 bzw. in der aktuellen Auflage Smith, Excessive Saints, S. 23.
34 Eine freilich nur vage Information des Autors findet sich in Thom. Cantimpr. BUA 1,19,10: ego in
quadam civitate episcopali annis undecim adolevi. Zwar verweist Thomas an verschiedenen Stel-
len des Bonum universale de apibus auf Schulgefährten; diese Angaben dienen jedoch vor allem
als Erzähl-Repertoire, nicht aber autobiographischen Angaben. Vgl. z. B. Thom. Cantimpr. BUA
I, 14,2 (Dilectum valde socium in scolis habui, coevum fere et prope parilium studiorum.); ebd.,
II, 30,8 (Adolescens adhuc sodalem habebam in scola puerilium studiorum carum valde, pudicum
et bonum, sed heu postmodum a magistro quodam suo per huius crimen vitii depravatum) oder
ebd., 11,57,31 (Habui in scolis socium, qui me vidente et audiente non solum facta, sed et dicta
lectionesque de die receptas dormiens recitabat, quod, ul certus fui, vigilans nullatenus potuisset).
35 S. ausführlich die Beschreibung in: Thom. Cantimpr. BUA 11,53,32 mit der abschließenden Besch-
reibung seines Vaters als „visionäres“ Gewissen (Mihi quoque Christus testis sit, quod si quando
pro eo celebrare distulissem alias impeditus, ipse mihi apparebat in sompnis et manibus ostensis,
plagis plurimis vulneratis, me utique, quare patrem filius non iuvarem, sinceriter arguebat). Für
eine Bezugnahme auf Thomas’ Vater als Gewährsmann eines Exempels s. ebd., 11,57,28.
36 Sweetman, Dominican preaching, S. 11; van Bellinghen, Thomas van Beilingen.
37 Histoire litteraire de la France XIX, S. 177-184, hier S. 177; Scriptores Ordinis, hg. Quetif/Echard,
S. 250-254, hier S. 250. Vgl. dazu auch den Hinweis des Thomas auf eine Cousine seines Vaters,