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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0067
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II. Das Werk

Bienen, das sich durch eine klare Hierarchie und einen wechselseitigen Funktionsme-
chanismus von Bienen-Vorsteher und Bienen-Volk auszeichnete.111
Kontrastiert man den Zugriff Niders mit dem der Denker des 12. und 13. Jahrhun-
derts und ihren Vorlagen, so wird deutlich, dass das Bild von Bienen- oder Ameisen-
gemeinschaften ganz wesentlich von den „Konjunkturen und Zäsuren“ des politi-
schen Denkens ebenso wie dem Kenntnisstand der jeweiligen Naturkunde abhing.
Während im Mittelalter und noch lange danach Bienen und Ameisen weitgehend
positiv charakterisiert wurden, sollte sich dieses Bild erst langsam und vor allem
durch die Erkenntnisse der modernen Insektenforschung ausdifferenzieren.112 Den
mittelalterlichen Denkmodellen gemein war eine „Humanisierung“ der beobachteten
Tiere ebenso wie eine Reziprozität tierischer und menschlicher Zusammenhänge:
Naturkundliches Wissen über die Tiere wurde auf die Menschen hin ausgerichtet,
und ebenso wurden die betreffenden Tiere umgekehrt auch „unter einem anthropo-
zentrischen Blickwinkel betrachtet“.113 Langlebigkeit und Erfolg der Tiere als Vorbil-
der für mittelalterliche Gemeinschaftsvorstellungen waren somit v. a. in zwei Aspek-
ten begründet - in ihrer Anschaulichkeit und ihrer Natürlichkeit, die sie letztlich
jeder Anfechtbarkeit enthoben.114
II.3. Die ideale Gemeinschaft: Kommunikative Funktion,
Naturorientierung und soziale Ordnungsmodelle des
Bonum universale de apibus
IL3.1. Autorenintention, Quellen und Adressaten im Widmungsbrief
an Humbert de Romanis
Bei dem „Bienenbuch“ des Thomas von Cantimpre handelt es sich um eine umfang-
reiche Material Sammlung, die der Gemeinschaft der Dominikaner ordensrelevantes
Wissen, Legenden und Predigtanregungen zur Verfügung stellen sollte. Mit dieser
strukturellen Vielfalt ist auch eine thematische Diversität verbunden: Neben kurzen
Erzählungen über die großen politischen oder religiösen Konflikte des 13. Jahrhun-
derts finden sich Geschichten im Kleinen, Episoden aus der Erfahrungswelt des Au-
tors, regionale Begebenheiten ungenannter und unbekannter Personen oder
erstaunliche Wunderberichte. Das „Bienenbuch“ scheint sich somit einer klaren Kate-
gorisierung zu entziehen - es ist weder hagiographisches Lehrbuch noch systemati-
sches Nachschlagewerk oder gar theologisch ausgefeilter Gelehrtentraktat.
111 Zur Prägung Johannes Niders durch die konziliaren Reformdebatten seiner Zeit s. Kapitel III.3.5.,
Abschnitt „Genieinschaftsvorstellungen im Wandel“.
112 Vgl. hierzu Werber, Ameisengesellschaften, bes. S. 33ff.
113 Geis, Modus vivendi, S. 202.
114 Werber, Ameisengesellschaften, S. 31.
 
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