Metadaten

Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0016
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I. DER AUTOR.
HAGIOGRAPH, NATURKUNDLER,
GESCHICHTENSAMMLER, ODER:
WER WAR THOMAS VON CANTIMPRE?

Versteht man die Quantität von Veröffentlichungen als einen Gradmesser oder zu-
mindest als ein Indiz für die Bekanntheit ihres Verfassers, so müsste Thomas von
Cantimpre zweifellos zu den berühmtesten Persönlichkeiten der religiösen und ge-
lehrten Welt des 13. Jahrhunderts gehört haben. Insgesamt legte der Predigerbruder
aus Brabant zwei umfassende Sammelwerke (Liber de natura rerum [Ldnr], fertig-
gestellt ca. 1255; Bonum universale de apibus [BUA], fertiggestellt zwischen 1263
und 1270) sowie fünf hagiographisehe Viten vor, die zusammengenommen mehrere
einhundert Mal abgeschrieben, in ganz Europa verbreitet und über Jahrhunderte hin-
weg rezipiert wurden.1 Umso erstaunlicher mutet es dagegen an, dass man bei dem
Versuch, den Lebensweg dieses Vielschreibers zu rekonstruieren, auf ein grund-
legendes, für das Mittelalter freilich nicht untypisches Quellenproblem stößt. So sind
zeitgenössische Spuren seines Werdegangs fast ausschließlich in den eigenen Schrif-
ten des Thomas von Cantimpre zu finden, die explizite Hinweise oder auch weniger
eindeutige Anspielungen auf Ämter, Reiseerfahrungen oder persönliche Kontakte
des Autors enthalten.2 Ein besonderer Stellenwert kommt bei diesen Eigenauskünf-
ten den Vorreden oder Prologen zu, in denen Thomas von Cantimpre nicht nur Auto-
ritäten und Zeugen benannte (oder gezielt zu verschleiern versuchte), sondern sich
auch stets selbst in einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Thema
setzte und so einen persönlichen Bezug zum betreffenden Text herstellte.3
Es ist dieser komplexen Überlieferungslage geschuldet, dass das Curriculum des
Autors in etlichen der bislang erarbeiteten biographischen Skizzen zu Thomas von
Cantimpre mit einer chronologisch geordneten Vorstellung seiner Werke verwoben
ist.4 Überdies sind die Angaben zu möglichen Lebensabschnitten, Thomas’ Lebens-
1 „Vita des Johannes von Cantimpre“, ca. 1228, überarbeitet bzw. vervollständigt zwischen 1263 und
1270; „Supplement zur Vita der Maria von Oignies“, ca. 1229; „Vita der Christina Mirabilis“, ca.
1232; „Vita der Margarethe von Ypern“, ca. 1240; „Vita der Lutgard von Ay wieres“, ca. 1248. Einen
luziden Überblick über Thomas’ Gesamtwerk gibt Newman, Introduction.
2 Grundlegend zu diesem Thema: Schmolinsky, Selbstzeugnisse im Mittelalter; Schmolinsky, Sich
schreiben in der Welt des Mittelalters; Hahn, Identität und Selbstthematisierung.
3 S. dazu Berlioz/Polo de Beaulieu, Les prologues.
4 Vgl. etwa Sweetman, Dominican Preaching, S. 11-18 sowie in Anlehnung daran Smith, Exempla-
rity and its limits, S. 4-48 bzw. in der aktuellen Auflage Smith, Excessive Saints, S. 23-47.; abge-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften