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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0040
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II. DAS WERK.
NARRATIVE FUNKTION, BIENENALLEGORIE
UND GEMEINSCHAFTSENTWURF
DES BONUM UNIVERSALE DE APIBUS

Das „Bienenbuch“ ist ein umfassendes Predigthandbuch, das der Dominikaner Tho-
mas von Cantimpre für seine zeitgenössischen Ordensbrüder ebenso wie für künftige
Generationen des Predigerordens verfasste. Im Mittelpunkt des Werks steht das ideale
Verhältnis von Vorgesetzten (prelati) und Untergebenen (subditi) in religiösen Ge-
meinschaften sowie allgemein in sozialen Gefügen. Diese Beziehung versuchte Tho-
mas von Cantimpre am Beispiel der Bienengemeinschaft idealtypisch zu beschreiben,
moralisierend zu kommentieren und so als Material für Predigten aufzuarbeiten.
Anders als es der programmatische Titel „Das Gemeingut von den Bienen“ (Bo-
num universale de apibus) vermuten lässt, handelt es sich aber nicht um eine syste-
matische Abhandlung über einen „Bienenstaat“.1 Vielmehr ist das „Bienenbuch“ ein
faszinierendes Kompendium der Alltags- und Vorstellungswelt des 13. Jahrhunderts,
zu dem Geschichten über heilige Frauen und vorbildliche Mönche ebenso gehören
wie Erzählungen von übermütigen Jugendlichen, bösartigen Vetteln oder zügellosen
Rittern (s. für einen Überblick Anhang 10). Neben Beschreibungen individueller Spi-
ritualitätserfahrungen finden sich darin Berichte über Konflikte zwischen weltlichen
oder geistlichen Akteuren oder Darlegungen normativer Vorstellungen und ihrer Be-
deutung in der Alltagsrealität. Damit erscheint das „Bienenbuch“ als ein Spiegel des
zeitgenössischen Ringens um religiöse Deutungshoheit und gesellschaftliche Ord-
nungsvorstellungen. Durch eine komplexe Kombination von zeitgenössischen Exem-
peln, philosophischen Sentenzen und nicht zuletzt naturkundlichen Beobachtungen
wird in anschaulicher Weise ein umfassender Blick auf die Welt des 13. Jahrhunderts
im Kleinen und im Großen vermittelt.
Ein strukturelles Wesensmerkmal des Textes ist seine kommunikative Ausrich-
tung. Dem zentralen didaktisch-adhortativen Anspruch des Autors folgend sind die
behandelten Themen und Geschichten zugänglich aufbereitet und in lebensnahen
1 In dieser Arbeit wird die deutsche Bezeichnung „Bienenbuch“ als Synonym für die lateinische
Form Bonum universale de apibus verwendet. Neben dem Aspekt der sprachlichen Handhabbar-
keit spielt dabei eine weitere Überlegung eine Rolle: Die gleichfalls geläufige deutsche Form „Bie-
nenstaat“ apostrophiert eine allzu staatstheoretische Lesart, die - wie die folgenden Ausführungen
zeigen - dem Werk nicht angemessen ist. Gleichzeitig greift die neutrale Bezeichnung „Bienen-
buch“ mittelalterliche Titelgebungen wie Liber de apibus oder Bienboec auf. S. dazu auch Kapi-
tel III.3. sowie zu den Überlieferungsformen des Titels Kapitel III.2.
 
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