II.2. Bienen und Ameisen als Sinnbild der vollkommenen Gemeinschaft
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der Königsherrschaft verstanden: Die königliche Milde umfasst sowohl eine gütige
Behandlung des Volkes als auch eine unbeirrte Bestrafung von Unrecht und zielt
damit letztlich auf Frieden als „höchstes Ziel der Politik“.108
IL2.4. Das große Krabbeln? Überlegungen zur mittelalterlichen Bienen-
und Ameisenfaszination
Vergleicht man das Bienenmodell Gilberts mit demjenigen des Johannes von Salisbu-
ry, treten gewisse Parallelen deutlich hervor: Beide erkennen in den Bienen eine hie-
rarchische Gemeinschaft, die gemeinsamen Regeln verpflichtet ist und deren Funkti-
onieren von der Position des Königs gewährleistet wird. Unterschiede offenbaren sich
dagegen im Umgang mit den antiken Vorlagen Vergils und Senecas. Johannes von
Salisbury verwendete v. a. lange Zitate aus Vergils Georgica und kommentierte diese
nur vereinzelt. Obgleich darin ganz unterschiedliche Aspekte zur Sprache kommen,
scheint ein inhaltlicher Schwerpunkt eher auf dem Gemeinwirken der Bienen zu lie-
gen. Gilbert von Tournai dagegen arbeitete die antiken Aussagen über die Bienen
stärker in seinen Text ein. Durch die enge Verbindung mit dem inhaltlichen Schwer-
punkt der königlichen Richterposition liegt bei ihm der Fokus stärker auf den Befug-
nissen des Königs und, daraus resultierend, auf den Anforderungen an dessen cha-
rakterliche Disposition.
Rund 300 Jahre später verfasste der Dominikaner Johannes Nider (um 1380-1438)
während des Konzils von Basel ein umfassendes Predigthandbuch, das er mit Formi-
carius, also „Ameisenhaufen“, betitelte (s. hierzu ausführlich Kapitel III.3.5.). Im Mit-
telpunkt des Formicarius steht die Vorstellung des Gemeinwesens von fleißigen Amei-
sen, die Nider als allegorisches Handlungsvorbild für Menschen verstand. Und obgleich
er sich explizit auf das „Bienenbuch“ des Thomas von Cantimpre als Vorlage bezog,109
entschied sich Nider bei seiner Sammlung von Unterweisungsmaterial bewusst für die
Konzentration auf ein anderes Tier. Die Ameisen, so argumentierte er, hätten keine
monarchische Ordnung, sondern gehorchten sich gegenseitig.110 Niders Vorstellung zu-
folge funktionierte das Gemeinwesen der Ameisen gleichsam intrinsisch, aufgrund
seiner inneren Ordnung. Damit unterschied es sich wesentlich vom Gemeinwesen der
108 LeGoff, Ludwig der Heilige, S. 365. S. dazu auch Casagrande, Le roi.
109 Adformicam cum suis proprietatibus quas si humanis applicaveris moribus veram revera disces
sapientiam. Eandem enim ob causam olym in principio nostri ordinis noster frater Thomas Bra-
bantinus librum moralisavit de apibus eisdem applicans exempla et miracula suo facta tempore,
ne talia aboleret oblivio mater ingratitudinis. Nider, Formicarius 1,1. Universitäts- und Landesbi-
bliothek Darmstadt inc-iii-151, fol. 3v.
110 Nider, Formicarius 1,1. Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt inc-iii-151, fol. 4r: Quarta
civilitas earum est differens multum ab apum policiadum. Iste regnum haben! monarchicum, non
autem Ule. Quinta et si monarcha careant tarnen sibi mutuo tranquilliter obtemperant. S. außer-
dem Galbreth, Nider and the Exemplum.
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der Königsherrschaft verstanden: Die königliche Milde umfasst sowohl eine gütige
Behandlung des Volkes als auch eine unbeirrte Bestrafung von Unrecht und zielt
damit letztlich auf Frieden als „höchstes Ziel der Politik“.108
IL2.4. Das große Krabbeln? Überlegungen zur mittelalterlichen Bienen-
und Ameisenfaszination
Vergleicht man das Bienenmodell Gilberts mit demjenigen des Johannes von Salisbu-
ry, treten gewisse Parallelen deutlich hervor: Beide erkennen in den Bienen eine hie-
rarchische Gemeinschaft, die gemeinsamen Regeln verpflichtet ist und deren Funkti-
onieren von der Position des Königs gewährleistet wird. Unterschiede offenbaren sich
dagegen im Umgang mit den antiken Vorlagen Vergils und Senecas. Johannes von
Salisbury verwendete v. a. lange Zitate aus Vergils Georgica und kommentierte diese
nur vereinzelt. Obgleich darin ganz unterschiedliche Aspekte zur Sprache kommen,
scheint ein inhaltlicher Schwerpunkt eher auf dem Gemeinwirken der Bienen zu lie-
gen. Gilbert von Tournai dagegen arbeitete die antiken Aussagen über die Bienen
stärker in seinen Text ein. Durch die enge Verbindung mit dem inhaltlichen Schwer-
punkt der königlichen Richterposition liegt bei ihm der Fokus stärker auf den Befug-
nissen des Königs und, daraus resultierend, auf den Anforderungen an dessen cha-
rakterliche Disposition.
Rund 300 Jahre später verfasste der Dominikaner Johannes Nider (um 1380-1438)
während des Konzils von Basel ein umfassendes Predigthandbuch, das er mit Formi-
carius, also „Ameisenhaufen“, betitelte (s. hierzu ausführlich Kapitel III.3.5.). Im Mit-
telpunkt des Formicarius steht die Vorstellung des Gemeinwesens von fleißigen Amei-
sen, die Nider als allegorisches Handlungsvorbild für Menschen verstand. Und obgleich
er sich explizit auf das „Bienenbuch“ des Thomas von Cantimpre als Vorlage bezog,109
entschied sich Nider bei seiner Sammlung von Unterweisungsmaterial bewusst für die
Konzentration auf ein anderes Tier. Die Ameisen, so argumentierte er, hätten keine
monarchische Ordnung, sondern gehorchten sich gegenseitig.110 Niders Vorstellung zu-
folge funktionierte das Gemeinwesen der Ameisen gleichsam intrinsisch, aufgrund
seiner inneren Ordnung. Damit unterschied es sich wesentlich vom Gemeinwesen der
108 LeGoff, Ludwig der Heilige, S. 365. S. dazu auch Casagrande, Le roi.
109 Adformicam cum suis proprietatibus quas si humanis applicaveris moribus veram revera disces
sapientiam. Eandem enim ob causam olym in principio nostri ordinis noster frater Thomas Bra-
bantinus librum moralisavit de apibus eisdem applicans exempla et miracula suo facta tempore,
ne talia aboleret oblivio mater ingratitudinis. Nider, Formicarius 1,1. Universitäts- und Landesbi-
bliothek Darmstadt inc-iii-151, fol. 3v.
110 Nider, Formicarius 1,1. Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt inc-iii-151, fol. 4r: Quarta
civilitas earum est differens multum ab apum policiadum. Iste regnum haben! monarchicum, non
autem Ule. Quinta et si monarcha careant tarnen sibi mutuo tranquilliter obtemperant. S. außer-
dem Galbreth, Nider and the Exemplum.