II.1. Narrativer Funktionskontext: Exemplarisches Erzählen im 13. Jahrhundert
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finden sich in zahllosen Texten des Mittelalters.4 Dass der schon in der Antike übliche
Gebrauch eingängiger Exempel seit dem Hochmittelalter und besonders seit dem
13. Jahrhundert eine Hochkonjunktur erlebte, ist in der einschlägigen Forschung viel-
fach betont worden. Für diese „Renaissance“ wurden zahlreiche Gründe angeführt,
von denen kursorisch nur einige genannt seien: sich wandelnde Kommunikations-
strategien vor allem kirchlicher und religiöser Akteure, die Veränderung des Predigt-
wesens (insbesondere infolge des Aufkommens der Bettelorden) oder aber Bemü-
hungen verschiedener Orden oder religiöser Gemeinschaften um eine interne,
identitätsstiftende Didaxe.5
Damit bietet das Phänomen exemplarischen Erzählens im 13. Jahrhundert zahlrei-
che Anknüpfungspunkte. Anders als in jüngeren Studien zu diesem Thema geht es
im folgenden Abschnitt jedoch nicht um die Frage nach antiken „Wurzeln“ des Exem-
pelgebrauchs im Mittelalter, um eine Typologie mittelalterlicher Exempel oder um
zeitgenössische begriffsgeschichtliche Überlegungen.6 Vielmehr wird in einem dop-
pelten Sinn die Funktionalität von Exempeln im Mittelpunkt stehen: die Funktiona-
lität des einzelnen Exempels als Kommunikationsmedium einerseits und andererseits
seine Bedeutung in der überliefernden Textsammlung und mithin seine Rückbindung
an die jeweiligen Zeitumstände. Um das Spektrum exemplarischen Erzählens im
13. Jahrhundert zumindest annähernd aufscheinen zu lassen, werden sowohl unter-
schiedliche Arten als auch verschiedene „Anwendungsgebiete“ von (indes aus-
schließlich lateinischen) Exempeln berücksichtigt, namentlich aus Werken Jakobs
von Vitry, Vincents von Beauvais oder Stephans von Bourbon.7
Aus dem Werk des zuletzt genannten Dominikaners Stephan von Bourbon (ca.
1180/90-1261), dem monumentalen Predigthandbuch Tractatus de diversis mate-
riis praedicabilibus, stammt die eingangs zitierte Geschichte von den lombardi-
schen Streitigkeiten.8 Sie kann gewissermaßen als Beispiel für ein „Durchschnitts-
exempel“ und seine typischen Eigenschaften herangezogen werden. Das normative
Anliegen der Geschichte und die sich daraus ableitende Handlungsoption sind
4 Aus der Fülle der Forschungsliteratur zu Exempeln sei insbesondere auf folgende, für die defi-
nitorische Bestimmung von Exempeln grundlegende Arbeiten verwiesen: Schürer, Beispiel im
Begriff, von Moos, Das Exemplum sowie Berlioz, Le recit efficace. Kritisch zum Verhältnis der
Begriffe Exempel bzw. exemplarisch außerdem Grubmüller, Exemplarisches Erzählen; s. neuer-
dings auch Schwarzbach-Dobson, Exemplarisches Erzählen..
5 S. hierzu Weigand, Historiographie, Exempel und Predigt, Schürer, Das Exemplum sowie Tubach,
Exempla in the Decline.
6 Zuletzt beispielsweise bei Louis, Definition d’usage, Schürer, Beispiel im Begriff oder Schürer,
Das Exemplum.
7 S. für einen Überblick Berlioz/Polo de Beaulieu, Les recueils ftexempla, S. 206-212 sowie Men-
zel, „Historiarum armarium“. Zur mehrdimensionalen Funktionalität von Exempeln vgl. auch die
Ausführungen bei Schwarzbach-Dobson, Exemplarisches Erzählen, S. 1-7.
8 Zu Stephan von Bourbon und seinem Tractatus s. Berlioz, Etienne de Bourbon, Berlioz, Du mo-
nastere ä la place publique, Berlioz, Etienne de Bourbon, Tractatus, Rider, Elite and populär su-
perstitions sowie Winkler, Building the Imagined Community.
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finden sich in zahllosen Texten des Mittelalters.4 Dass der schon in der Antike übliche
Gebrauch eingängiger Exempel seit dem Hochmittelalter und besonders seit dem
13. Jahrhundert eine Hochkonjunktur erlebte, ist in der einschlägigen Forschung viel-
fach betont worden. Für diese „Renaissance“ wurden zahlreiche Gründe angeführt,
von denen kursorisch nur einige genannt seien: sich wandelnde Kommunikations-
strategien vor allem kirchlicher und religiöser Akteure, die Veränderung des Predigt-
wesens (insbesondere infolge des Aufkommens der Bettelorden) oder aber Bemü-
hungen verschiedener Orden oder religiöser Gemeinschaften um eine interne,
identitätsstiftende Didaxe.5
Damit bietet das Phänomen exemplarischen Erzählens im 13. Jahrhundert zahlrei-
che Anknüpfungspunkte. Anders als in jüngeren Studien zu diesem Thema geht es
im folgenden Abschnitt jedoch nicht um die Frage nach antiken „Wurzeln“ des Exem-
pelgebrauchs im Mittelalter, um eine Typologie mittelalterlicher Exempel oder um
zeitgenössische begriffsgeschichtliche Überlegungen.6 Vielmehr wird in einem dop-
pelten Sinn die Funktionalität von Exempeln im Mittelpunkt stehen: die Funktiona-
lität des einzelnen Exempels als Kommunikationsmedium einerseits und andererseits
seine Bedeutung in der überliefernden Textsammlung und mithin seine Rückbindung
an die jeweiligen Zeitumstände. Um das Spektrum exemplarischen Erzählens im
13. Jahrhundert zumindest annähernd aufscheinen zu lassen, werden sowohl unter-
schiedliche Arten als auch verschiedene „Anwendungsgebiete“ von (indes aus-
schließlich lateinischen) Exempeln berücksichtigt, namentlich aus Werken Jakobs
von Vitry, Vincents von Beauvais oder Stephans von Bourbon.7
Aus dem Werk des zuletzt genannten Dominikaners Stephan von Bourbon (ca.
1180/90-1261), dem monumentalen Predigthandbuch Tractatus de diversis mate-
riis praedicabilibus, stammt die eingangs zitierte Geschichte von den lombardi-
schen Streitigkeiten.8 Sie kann gewissermaßen als Beispiel für ein „Durchschnitts-
exempel“ und seine typischen Eigenschaften herangezogen werden. Das normative
Anliegen der Geschichte und die sich daraus ableitende Handlungsoption sind
4 Aus der Fülle der Forschungsliteratur zu Exempeln sei insbesondere auf folgende, für die defi-
nitorische Bestimmung von Exempeln grundlegende Arbeiten verwiesen: Schürer, Beispiel im
Begriff, von Moos, Das Exemplum sowie Berlioz, Le recit efficace. Kritisch zum Verhältnis der
Begriffe Exempel bzw. exemplarisch außerdem Grubmüller, Exemplarisches Erzählen; s. neuer-
dings auch Schwarzbach-Dobson, Exemplarisches Erzählen..
5 S. hierzu Weigand, Historiographie, Exempel und Predigt, Schürer, Das Exemplum sowie Tubach,
Exempla in the Decline.
6 Zuletzt beispielsweise bei Louis, Definition d’usage, Schürer, Beispiel im Begriff oder Schürer,
Das Exemplum.
7 S. für einen Überblick Berlioz/Polo de Beaulieu, Les recueils ftexempla, S. 206-212 sowie Men-
zel, „Historiarum armarium“. Zur mehrdimensionalen Funktionalität von Exempeln vgl. auch die
Ausführungen bei Schwarzbach-Dobson, Exemplarisches Erzählen, S. 1-7.
8 Zu Stephan von Bourbon und seinem Tractatus s. Berlioz, Etienne de Bourbon, Berlioz, Du mo-
nastere ä la place publique, Berlioz, Etienne de Bourbon, Tractatus, Rider, Elite and populär su-
perstitions sowie Winkler, Building the Imagined Community.