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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0053
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II. Das Werk

1838 nach Erhalt einer Erbschaft gemeinsam in der Normandie zur Ruhe setzen.
Frustriert von ihrer beruflichen Tätigkeit, lediglich die Texte anderer abzuschrei-
ben, beschließen sie, alle Bereiche des menschlichen Wissens zu erkunden. In Ge-
sprächen mit den Bewohnern der umliegenden Dörfer setzen sie sich deshalb auf
stets optimistische, aber doch auch dilettantische Art mit den jeweiligen Themen-
gebieten auseinander. In der Debatte über die richtige Staatsform bringt beispiels-
weise Monsieur de Faverges, ein Sympathisant der Monarchie, seine politische Hal-
tung mit einer für ihn offenbar eindeutigen These zum Ausdruck: „Die Bienen
bestätigen die Monarchie!“. Schlagfertig kontert jedoch der Arzt Foureau: „Aber
die Ameisen die Republik!“.53 Die Gemeinschaften der Bienen und der Ameisen
fungieren hier als legitimierendes Argument für die eine oder andere Staatsform.
Dabei ist es nicht notwendig, dass die Protagonisten näher auf die Eigenschaften
der betrachteten Tiere eingehen, denn es geht in der Debatte ja um gesellschaftspo-
litische, nicht um naturkundliche Betrachtungen. Weitaus bedeutsamer ist aber,
dass der Rückgriff auf die Bienen und Ameisen scheinbar selbstverständlich be-
stimmte Assoziationen mit beiden Tiergruppen anspricht - für den staatstheoreti-
schen Kontext beispielsweise „Ordnung“, „Organisation“ oder „Hierarchie“. Die
Reaktion der Teilnehmer zeigt, wie richtig diese Annahme ist: die Allegorie ist
verständlich, niemand fordert eine Erläuterung ein.
Natürlich handelt es sich bei derartigen Assoziationsprozessen keinesfalls um ein
Phänomen des 19. Jahrhunderts. Vielmehr scheint die Vorstellung eines hierarchisch
strukturierten Gemeinwesens sowohl der Bienen als auch der Ameisen einen Ge-
meinplatz zu markieren, der in früheren Jahrhunderten genauso abgerufen werden
konnte wie in heutiger Zeit. Davon zeugen naturkundliche oder gesellschaftstheore-
tische Schriften aus Vormoderne und Moderne ebenso wie Spiegelungen des Phäno-
mens in der Popkultur oder aktuelle soziobiologische Studien zur Struktur tierischer
Gemeinschaften.54 Während all diese Perspektiven grundsätzlich von einem Zusam-
menhang zwischen menschlichem und tierischem Zusammenleben ausgehen, unter-
scheidet sich dessen Ausdeutung bisweilen recht deutlich. Einerseits werden mensch-
liche Verhaltensweisen auf tierische Zusammenhänge übertragen, um diese den
Menschen verständlicher zu machen - man denke nur an die Darstellung von Amei-
sengesellschaften als „Stadtstaaten“ oder an die Vermenschlichung einzelner Tiere
wie im Falle der bekannten „Biene Maja“.55 Noch beliebter scheint andererseits die

53 Flaubert, Bouvard und Pecuchet, Kapitel VI (Über die Politik), S. 196. S. dazu auch Werber,
Ameisengesellschaften, S. 20-21 und 33.
54 Werber, Ameisengesellschaften, S. 12, unter Verweis auf Filme wie „The Ant and the Grasshop-
per“ (Walt Disney 1934) oder „Antz - Was krabbelt da?“ (Dreamworks 1999). Für aktuelle Werke
zu Bienen s. beispielsweise Seeley, Bienendemokratie, Menzel/Eckoldt, Intelligenz der Bienen
oder (mit einem kulturgeschichtlichen Zugriff) Dutli, Lied vom Honig.
55 S. für eine historische Kontextualisierung der Entstehung des „Maja“-Stoffes Viel, Honigsammler.
 
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