II.3. Die ideale Gemeinschaft
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Königs und seiner äußeren Erscheinung näher ausgeführt. So ist „gemäß den Geset-
zen und den in ältester Zeit festgesetzten Regeln“ die einzig vorstellbare Regierungs-
form die der Monarchie:
„Einer herrscht über ein Kaiserreich, einer über ein Königreich; es erfordert einen
Fürsten für ein Geschlecht, einen Richter für eine Provinz und einen Vorsteher für eine
Stadt. Und dies wegen der Eintracht der Einigkeit und vollkommen wegen der Festig-
keit des Friedens gemäß dem Wort Gottes: ,Niemand kann zwei Herren dienen/“180
Aufgrund der aus dieser Vorstellung resultierenden besonderen Bedeutung des Vor-
steheramtes werden dem Bienenkönig prominente physische Eigenschaften zuge-
schrieben: Als Ausweis seiner besonderen Milde verfügt er als einzige Biene nicht
über einen Stachel, trägt an der Stirn einen kronengleichen Fleck und hat zum Zei-
chen seiner geistigen Tätigkeit kürzere Flügel (BUA 1,6-9). Deutlich sind hier Anleh-
nungen an Senecas Mahnschrift De clementia zu erkennen, in der der stachellose
Bienenkönig gleichfalls als Sinnbild für eine milde und kluge Herrschaftsführung
gepriesen wird.181
Ab Kapitel BUA 1,10 rückt die Beziehung des Vorstehers zu den Untergebenen
stärker in den Fokus. Diese ist stets dem Prinzip der Wechselseitigkeit verpflichtet:
Ebenso wie die Gemeinschaft dem Vorsteher Arbeit und Gehorsam schuldet, muss
dieser seine Tugend zum Wohl der Gemeinschaft einsetzen. Das Prinzip der rezipro-
ken Abhängigkeit wird in gemeinsamen Auftritten des Bienenkönigs mit dem
Schwarm versinnbildlicht, in dem der Vorsteher zwar eine prominente Stellung ein-
nimmt, jedoch nie unabhängig von seiner Gemeinschaft erscheint (BUA 1,10-14).
Dass es sich bei aller gegenseitigen Unterstützung jedoch um ein streng hierarchi-
sches Verhältnis mit allen Strafkonsequenzen bei Regelverstößen handelt, wird in
den Kapiteln BUA 1,15-17 verdeutlicht. Als Anführer der Gemeinschaft hat der Bie-
nenkönig auch über das konforme Verhalten der einzelnen Mitglieder zu wachen;
jede Abweichung von den gemeinschaftlichen Normen wird von ihm oder seinen
„Liktoren“ sofort bestraft. Als Ergänzung oder beinahe sogar als Abmilderung des
zuvor Beschriebenen stellt Thomas neben diese Aufgabe als Kontrolleur, Korrektor
oder Richter dann aber gleich die Fürsorgepflicht des Bienenkönigs (BUA 1,18-20).
Dieser muss sich um seinen Schwarm sorgen, den erschöpften Mitgliedern helfen
und sie ermuntern. Erst durch die Wechselseitigkeit von Fürsorge und Gehorsam ist
180 Thom. Cantimpr. BUA 1,5,1: Et hoc secundum leges et canones antiquissimis temporibus ordi-
natas. Unus dominatur imperio, unus regno, unius gentis princeps, unius provincie iudex, unius
civitatis presul exigitur et hoc propter concordiam unitatis et pacis omnimode firmitatem secun-
dum verbum Dei: Nemo polest duobus dominis servire. Omne enim regnum in seipso divisum
desolabitur. Non igitur in uno corpore caput biforme constituas et irrisionem chimere sustineas et
ruinam.
181 Shofield, Seneca on Monarchy, S. 71-73. S. außerdem Peil, Untersuchungen, S. 243-241.
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Königs und seiner äußeren Erscheinung näher ausgeführt. So ist „gemäß den Geset-
zen und den in ältester Zeit festgesetzten Regeln“ die einzig vorstellbare Regierungs-
form die der Monarchie:
„Einer herrscht über ein Kaiserreich, einer über ein Königreich; es erfordert einen
Fürsten für ein Geschlecht, einen Richter für eine Provinz und einen Vorsteher für eine
Stadt. Und dies wegen der Eintracht der Einigkeit und vollkommen wegen der Festig-
keit des Friedens gemäß dem Wort Gottes: ,Niemand kann zwei Herren dienen/“180
Aufgrund der aus dieser Vorstellung resultierenden besonderen Bedeutung des Vor-
steheramtes werden dem Bienenkönig prominente physische Eigenschaften zuge-
schrieben: Als Ausweis seiner besonderen Milde verfügt er als einzige Biene nicht
über einen Stachel, trägt an der Stirn einen kronengleichen Fleck und hat zum Zei-
chen seiner geistigen Tätigkeit kürzere Flügel (BUA 1,6-9). Deutlich sind hier Anleh-
nungen an Senecas Mahnschrift De clementia zu erkennen, in der der stachellose
Bienenkönig gleichfalls als Sinnbild für eine milde und kluge Herrschaftsführung
gepriesen wird.181
Ab Kapitel BUA 1,10 rückt die Beziehung des Vorstehers zu den Untergebenen
stärker in den Fokus. Diese ist stets dem Prinzip der Wechselseitigkeit verpflichtet:
Ebenso wie die Gemeinschaft dem Vorsteher Arbeit und Gehorsam schuldet, muss
dieser seine Tugend zum Wohl der Gemeinschaft einsetzen. Das Prinzip der rezipro-
ken Abhängigkeit wird in gemeinsamen Auftritten des Bienenkönigs mit dem
Schwarm versinnbildlicht, in dem der Vorsteher zwar eine prominente Stellung ein-
nimmt, jedoch nie unabhängig von seiner Gemeinschaft erscheint (BUA 1,10-14).
Dass es sich bei aller gegenseitigen Unterstützung jedoch um ein streng hierarchi-
sches Verhältnis mit allen Strafkonsequenzen bei Regelverstößen handelt, wird in
den Kapiteln BUA 1,15-17 verdeutlicht. Als Anführer der Gemeinschaft hat der Bie-
nenkönig auch über das konforme Verhalten der einzelnen Mitglieder zu wachen;
jede Abweichung von den gemeinschaftlichen Normen wird von ihm oder seinen
„Liktoren“ sofort bestraft. Als Ergänzung oder beinahe sogar als Abmilderung des
zuvor Beschriebenen stellt Thomas neben diese Aufgabe als Kontrolleur, Korrektor
oder Richter dann aber gleich die Fürsorgepflicht des Bienenkönigs (BUA 1,18-20).
Dieser muss sich um seinen Schwarm sorgen, den erschöpften Mitgliedern helfen
und sie ermuntern. Erst durch die Wechselseitigkeit von Fürsorge und Gehorsam ist
180 Thom. Cantimpr. BUA 1,5,1: Et hoc secundum leges et canones antiquissimis temporibus ordi-
natas. Unus dominatur imperio, unus regno, unius gentis princeps, unius provincie iudex, unius
civitatis presul exigitur et hoc propter concordiam unitatis et pacis omnimode firmitatem secun-
dum verbum Dei: Nemo polest duobus dominis servire. Omne enim regnum in seipso divisum
desolabitur. Non igitur in uno corpore caput biforme constituas et irrisionem chimere sustineas et
ruinam.
181 Shofield, Seneca on Monarchy, S. 71-73. S. außerdem Peil, Untersuchungen, S. 243-241.