II.3. Die ideale Gemeinschaft
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Abb. 6 u. 7: Bruxelles, Bibliotheque Royale, cod. 9507, fol. Ir und lllv. Digitalisat der BR
Bruxelles.
firmieren. Folglich zeichnet sich die Gattung der Wespen durch Hass und Jähzorn
aus, der sie dazu verleitet, Menschen schmerzhaft zu stechen und mit lautem Getöse
durch die Luft zu fliegen. Diese laute Unruhe bildet auch einen Anknüpfungspunkt
für die Dämonen, die meist lärmend, rufend oder höhnisch lachend dargestellt wer-
den. In der natürlichen Ordnung mit ihrer Harmonie des himmlischen Engelsgesangs
stellen die Artikulationsweisen der Wespen bzw. Dämonen eine ordnungslose Kako-
phonie dar.195 Ihrem Chaos können tugendhafte Menschen im Diesseits nur durch
religiöse Gebetsgesänge, durch bewusstes Schweigen oder beherrschte Worte, mithin
durch eine aktive Hingabe, durch Ordnung und Zusammenhalt entgegenwirken -
ganz nach dem Vorbild der Bienengemeinschaft.
Konsens oder Gehorsam? Die Alterität der Normsysteme
Die Gesamtschau des „Bienenbuchs“ offenbart das Bild einer durchweg hierarchisch
strukturierten Gemeinschaft. Diese ist jedoch nicht allein vom Willen des Vorstehers
abhängig; im Gegenteil, die von Thomas von Cantimpre beschriebene soziale Struk-
tur kann nur funktionieren, wenn jedes Mitglied Verantwortung übernimmt.
Dieser Entwurf einer selbstverantwortlichen Gemeinschaft, die in enger Wechsel-
wirkung ihrer Führung verpflichtet ist, greift Kernelemente der institutionellen Ver-
fasstheit des Predigerordens auf, dessen Organisations- und Funktionsstruktur auf
dem Prinzip der wechselseitigen Kontrolle von prelati und subditi basierte.196 Weit-
gehend widerspruchslos wird dieses Bild mit dem der Bienenmonarchie illustriert.
195 S. zu den damit verbundenen Klangsphären Herkommer, Sphärenklang und Höllenlärm sowie die
Beiträge und Katalogartikel in: Seeliges Lächeln, hg. Wilhelmy.
196 Grundlegend dazu Melville, Fiat secretum scrutinium.
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Abb. 6 u. 7: Bruxelles, Bibliotheque Royale, cod. 9507, fol. Ir und lllv. Digitalisat der BR
Bruxelles.
firmieren. Folglich zeichnet sich die Gattung der Wespen durch Hass und Jähzorn
aus, der sie dazu verleitet, Menschen schmerzhaft zu stechen und mit lautem Getöse
durch die Luft zu fliegen. Diese laute Unruhe bildet auch einen Anknüpfungspunkt
für die Dämonen, die meist lärmend, rufend oder höhnisch lachend dargestellt wer-
den. In der natürlichen Ordnung mit ihrer Harmonie des himmlischen Engelsgesangs
stellen die Artikulationsweisen der Wespen bzw. Dämonen eine ordnungslose Kako-
phonie dar.195 Ihrem Chaos können tugendhafte Menschen im Diesseits nur durch
religiöse Gebetsgesänge, durch bewusstes Schweigen oder beherrschte Worte, mithin
durch eine aktive Hingabe, durch Ordnung und Zusammenhalt entgegenwirken -
ganz nach dem Vorbild der Bienengemeinschaft.
Konsens oder Gehorsam? Die Alterität der Normsysteme
Die Gesamtschau des „Bienenbuchs“ offenbart das Bild einer durchweg hierarchisch
strukturierten Gemeinschaft. Diese ist jedoch nicht allein vom Willen des Vorstehers
abhängig; im Gegenteil, die von Thomas von Cantimpre beschriebene soziale Struk-
tur kann nur funktionieren, wenn jedes Mitglied Verantwortung übernimmt.
Dieser Entwurf einer selbstverantwortlichen Gemeinschaft, die in enger Wechsel-
wirkung ihrer Führung verpflichtet ist, greift Kernelemente der institutionellen Ver-
fasstheit des Predigerordens auf, dessen Organisations- und Funktionsstruktur auf
dem Prinzip der wechselseitigen Kontrolle von prelati und subditi basierte.196 Weit-
gehend widerspruchslos wird dieses Bild mit dem der Bienenmonarchie illustriert.
195 S. zu den damit verbundenen Klangsphären Herkommer, Sphärenklang und Höllenlärm sowie die
Beiträge und Katalogartikel in: Seeliges Lächeln, hg. Wilhelmy.
196 Grundlegend dazu Melville, Fiat secretum scrutinium.