III.3. Der Umgang mit Buch und Text
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kennzeichnete, tat er dies mit folgendem Vermerk: „Dieses Werk gehört Magister
Stephan von Stankow. Es wurde im Jahr 1410 vollendet, als König Wenzel und Köni-
gin Sophie in Prag im Haus des Dekans von Sankt Apollinaris zu Quartier waren“.
Der gemeinsame Aufenthalt von König und Königin in Prag schien dem Besitzer (der
möglicherweise auch der Schreiber war) offenbar als ein so markantes und mithin er-
innerungswürdiges Ereignis, dass es eine Zuordnung der Buchanfertigung erlaubte.55
Darüber hinaus können ausführliche Vermerke detailliertere Informationen über
den Schreiber oder Auftraggeber, dessen persönliches Umfeld und familiäre Zusam-
menhänge56 oder seinen Anteil an der Abschrift enthalten. So war es Petrus Herenthal
(1322-1391), einem Chorherren in der Prämonstratenserabtei Floreffe bei Namur, of-
fenbar wichtig, im lokalen Exemplar des „Bienenbuchs“ zu vermerken, dass er dessen
Abschrift veranlasst und selbst ein Register des Gesamtwerks verfasst hatte.57
Mitunter bieten Schreibervermerke aber auch vielschichtigere Einblicke in die Mo-
tivationen und Umstände zur Abschrift, wie das Beispiel der Handschrift aus Reims
zeigt. Als der französische Geistliche Wilhelm von Bruolio im Herbst 1388 seine
Kopistentätigkeit beendete, schien er mit dem geleisteten Pensum nicht unzufrieden
zu sein. Wilhelm, der als Priester der Diözese begonnen hatte, Kanoniker in St. Jean
in Nogent geworden und als Kaplan bei Guy de Roye, dem Erzbischof von Sens und
später von Reims, bedienstet war, hatte soeben das gesamte „Bienenbuch“ kopiert.58
Selbst einen geübten Schreiber wie ihn dürfte die Abschrift des 115 Folia umfassen-
den Codex bei kontinuierlicher Arbeit mindestens 40 Tage beschäftigt haben,59 und so
erklärt sich folgender ausführlicher Hinweis vielleicht vor diesem Hintergrund, viel-
leicht aber auch mit der Neigung des Schreibers zu ausführlichen Vermerken:
55 Archiv Prazskeho Hradu / Archiv Metropolitnl kapituly u sv. Vita, cod. 469/C XLII, Vorsatzblatt:
Volumen istud est magri Stephani de Stankow, canonici pragensis, completum a.D. 1410 die Maii
XIX, tune rex Wenceslaus et regina Sophia sunt mansione Präge in domo decani crica Sctum
Apollinarem. Vgl. Podlaha, Soupis rukopisü I, S. 267f. Stephan von Stankow wurde erstmals
1381 erwähnt. Er studierte in Prag, wo er am Hof der Königin und von 1400 bis 1412 als Kanoni-
ker am Domkapitel wirkte. Ab 1412 war er überdies Kanoniker in Breslau. S. die biographischen
Angaben bei Triska, Zivotopisny, S. 492-493. Die Angaben des Kopisten lassen sich übrigens
mit dem Itinerar des Königs nicht verifizieren bzw. genauer zuordnen, s. dazu Hlaväcek, Studie k
diplomatice, S. 86.
56 So beispielsweise in: Praha, Krälovskä kanonie premonsträtü na Strahove, cod. DB III 4, fol. 88v:
Explicit Uber de uniuersali bono de moralitate apumAnno ab incarnacione domini mo ccco Ixxviiio
feria sexta ante vigiliam purificacionis marie uirginis gloriose In die sancti lohannis Crisostomi
doctoris eximiiper manus Chunradifilii Sampsonis De DyetfurtFinito libro sit laus etgloria christo.
57 Namur, Musee Provincial des Arts anciens - Fonds de la Ville, cod. 14 B, fol. 202v: Explicit Uber
qui dicitur bonum uniuersale de apibus.finitus anno Domini 1000. 3000. 89 in crastino translatio-
nis Augustini quem frater Petrus de Herenthal's fecit scribi et confecit tabulam super eodem. Orale
pro eo. Zu Petrus Herenthal s. Berliere, Pierre de Herenthals.
58 Zur Bibliothek des Erzbischofs s. Le Braz, La bibliotheque de Guy de Roye.
59 Krämer, Scriptores possessoresque, führt etliche weitere Handschriften an, die von Wilhelm von
Bruolio ganz oder teilweise geschrieben wurden. Zur Frage der Geschwindigkeit s. Gumbert,
Speed of Scribes, bes. S. 61-69.
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kennzeichnete, tat er dies mit folgendem Vermerk: „Dieses Werk gehört Magister
Stephan von Stankow. Es wurde im Jahr 1410 vollendet, als König Wenzel und Köni-
gin Sophie in Prag im Haus des Dekans von Sankt Apollinaris zu Quartier waren“.
Der gemeinsame Aufenthalt von König und Königin in Prag schien dem Besitzer (der
möglicherweise auch der Schreiber war) offenbar als ein so markantes und mithin er-
innerungswürdiges Ereignis, dass es eine Zuordnung der Buchanfertigung erlaubte.55
Darüber hinaus können ausführliche Vermerke detailliertere Informationen über
den Schreiber oder Auftraggeber, dessen persönliches Umfeld und familiäre Zusam-
menhänge56 oder seinen Anteil an der Abschrift enthalten. So war es Petrus Herenthal
(1322-1391), einem Chorherren in der Prämonstratenserabtei Floreffe bei Namur, of-
fenbar wichtig, im lokalen Exemplar des „Bienenbuchs“ zu vermerken, dass er dessen
Abschrift veranlasst und selbst ein Register des Gesamtwerks verfasst hatte.57
Mitunter bieten Schreibervermerke aber auch vielschichtigere Einblicke in die Mo-
tivationen und Umstände zur Abschrift, wie das Beispiel der Handschrift aus Reims
zeigt. Als der französische Geistliche Wilhelm von Bruolio im Herbst 1388 seine
Kopistentätigkeit beendete, schien er mit dem geleisteten Pensum nicht unzufrieden
zu sein. Wilhelm, der als Priester der Diözese begonnen hatte, Kanoniker in St. Jean
in Nogent geworden und als Kaplan bei Guy de Roye, dem Erzbischof von Sens und
später von Reims, bedienstet war, hatte soeben das gesamte „Bienenbuch“ kopiert.58
Selbst einen geübten Schreiber wie ihn dürfte die Abschrift des 115 Folia umfassen-
den Codex bei kontinuierlicher Arbeit mindestens 40 Tage beschäftigt haben,59 und so
erklärt sich folgender ausführlicher Hinweis vielleicht vor diesem Hintergrund, viel-
leicht aber auch mit der Neigung des Schreibers zu ausführlichen Vermerken:
55 Archiv Prazskeho Hradu / Archiv Metropolitnl kapituly u sv. Vita, cod. 469/C XLII, Vorsatzblatt:
Volumen istud est magri Stephani de Stankow, canonici pragensis, completum a.D. 1410 die Maii
XIX, tune rex Wenceslaus et regina Sophia sunt mansione Präge in domo decani crica Sctum
Apollinarem. Vgl. Podlaha, Soupis rukopisü I, S. 267f. Stephan von Stankow wurde erstmals
1381 erwähnt. Er studierte in Prag, wo er am Hof der Königin und von 1400 bis 1412 als Kanoni-
ker am Domkapitel wirkte. Ab 1412 war er überdies Kanoniker in Breslau. S. die biographischen
Angaben bei Triska, Zivotopisny, S. 492-493. Die Angaben des Kopisten lassen sich übrigens
mit dem Itinerar des Königs nicht verifizieren bzw. genauer zuordnen, s. dazu Hlaväcek, Studie k
diplomatice, S. 86.
56 So beispielsweise in: Praha, Krälovskä kanonie premonsträtü na Strahove, cod. DB III 4, fol. 88v:
Explicit Uber de uniuersali bono de moralitate apumAnno ab incarnacione domini mo ccco Ixxviiio
feria sexta ante vigiliam purificacionis marie uirginis gloriose In die sancti lohannis Crisostomi
doctoris eximiiper manus Chunradifilii Sampsonis De DyetfurtFinito libro sit laus etgloria christo.
57 Namur, Musee Provincial des Arts anciens - Fonds de la Ville, cod. 14 B, fol. 202v: Explicit Uber
qui dicitur bonum uniuersale de apibus.finitus anno Domini 1000. 3000. 89 in crastino translatio-
nis Augustini quem frater Petrus de Herenthal's fecit scribi et confecit tabulam super eodem. Orale
pro eo. Zu Petrus Herenthal s. Berliere, Pierre de Herenthals.
58 Zur Bibliothek des Erzbischofs s. Le Braz, La bibliotheque de Guy de Roye.
59 Krämer, Scriptores possessoresque, führt etliche weitere Handschriften an, die von Wilhelm von
Bruolio ganz oder teilweise geschrieben wurden. Zur Frage der Geschwindigkeit s. Gumbert,
Speed of Scribes, bes. S. 61-69.