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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0161
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III. Die Rezeptionsgeschichte

Quelle aus Martins eigener Feder, dass er das Werk wie auch den „Ameisenhaufen“
tatsächlich gelesen und verwendet hatte.
Zwischen 1452 und 1464 verfasste Martin von Leibitz das sogenannte Senatorium
a Sene, einen Dialog zwischen einem Greis und einem Knaben, in dem der alte Mann
seinen jungen Zuhörer an seinem „Erfahrungswissen“ teilhaben lässt.203 Das in acht
Kapitel untergliederte Gespräch behandelt autobiographische Erzählungen des senex
(Kapitel 1-4), die zeitlich bis ca. 1452 reichen, sowie historische Erzählungen über
das Schottenkloster und die Region Österreich / Böhmen / Ungarn (Kapitel 5-8). Im
Prolog zum Senatorium bezog sich Martin von Leibitz sowohl auf das „Bienenbuch“
als auch den „Ameisenhaufen“:

„Und weil die Vergesslichkeit die Mutter der Undankbarkeit ist, beabsichtige ich zu-
nächst solche Dinge darzulegen, welche ich durch Erfahrung gelernt habe, denn ich
glaube nicht, dass diese anderswo einleuchtend beschrieben worden sind; darin aber
eifere ich dem Apiarius und dem Formicarius nach [.. ,].“204
Zu Beginn des Dialogs ließ Martin von Leibitz außerdem den lernwilligen jungen
Mann auf die Vorbildfunktion Bezug nehmen, welche er dem Bonum universale de
apibus und dem Formicarius für die Darstellung von klösterlichen Strukturen, Ge-
schehnissen und auch aktuellen Ereignissen zuschrieb.205
Es ist nicht verwunderlich, dass Martin von Leibitz von dem Werk Johannes
Niders wusste: beide studierten etwa zur selben Zeit an der Universität Wien und
kannten sich möglicherweise sogar persönlich.206 Der Lebensweg beider Männer
offenbart eine weitere Parallele. Sowohl Johannes Nider als auch Martin von Lei-
bitz engagierten sich für Reformen innerhalb ihrer Orden, den Gemeinschaften
der Dominikaner und der Benediktiner. Die (Neu-)Ordnung von Gemeinschaften,
ihre Hierarchie und ihr Funktionieren waren deshalb für beide von zentralem In-
teresse.207 Im Unterschied zu Johannes Nider, der in Analogie zum „Bienenbuch“
mit seinem „Ameisenhaufen“ eine eigene, für ihn zeitgemäßere Gemeinschafts-
vision mit passender Tierallegorie entworfen hatte, bezog sich Martin von Leibitz
jedoch stärker auf die kommunikative Funktion beider Werke. Im Senatorium
203 S. zum Werk Tersch, Selbstzeugnisse, S. 52-65 sowie Tersch, Monastic Reform.
204 Martin von Leibitz, Senatorium, S. 626: Et quia oblivio est mater ingratitudinis, intendoprimopo-
nere aliqua, quae per experientiam didici, quae non puto alibi esse clare scripta, in hoc imitando
Apiarium & Formicarium [...].
205 EbcL, S. 626: [JUVENIS] Libenter audiam: puto enim, quod aliqua rara dices mihi, prout Apiarius
& Formicarius de gestis raris suis temporibus scripserunt.
206 S. zu klösterlich-universitären Kontakten auch Niederkorn-Bruck, Internationalität, S. 24. Grund-
legend zu Interaktionen zwischen verschiedenen sozialen Bereichen: Lutter, Geteilte soziale Räu-
me. S. zur Bedeutung der Schottenklöster außerdem 0 Riain, The Schottenklöster.
207 Tersch, Monastic Reform, S. 49. S. zu den Kontakten von Klöstern zur Universität auch Nieder-
korn-Bruck, Internationalität.
 
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